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Hildegard Kappler gibt Buchhandlung ab

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Leutkirch / sce - 51 Jahre lang hat sie in ihrem Traumberuf gearbeitet, zum Jahresende soll damit Schluss sein: Buchhändlerin Hildegard Kappler hört auf. Nicht ganz freiwillig allerdings: Eine schwere Augenerkrankung hat sie zu diesem Entschluss gezwungen. Die gute Nachricht für viele Leutkircher Leseratten: Die Buchhandlung Kappler wird von einer Kollegin weitergeführt, und zwar am früheren Standort in der Marktstraße 35.

„Eine Buchhändlerin, die nicht mehr lesen kann, ist dem Laden und der Kundschaft nicht zuzumuten.“ Hildegard Kappler beschönigt nichts, wenn sie von ihren gesundheitlichen Problemen spricht, einer Makuladegeneration, die ihr innerhalb kürzester Zeit weitgehend die Sehfähigkeit geraubt hat. Viel schlimmer kann es für eine leidenschaftliche Leserin kaum kommen. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, bekennt die 66-Jährige denn auch ganz offen. „Rund 150 Bücher pro Jahr“ hat sie gelesen, im Schnitt also jeden vierten Tag ein neues Buch angefangen. Nun hat sie Mühe, mit Hilfe einer starken Lupe die Titel der Bücher zu entziffern.

Schon vor 51 Jahren stand für die damals 15-Jährige fest: Ihr berufliches Leben sollte sich um Bücher drehen. Im Geschäft ihres Vaters Hermann Kappler, der 1945 „Buchbinderei, Schreibwaren und Buchverkaufsstelle“ in der Leutkircher Marktstraße eröffnet hatte, begann sie die Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und hängte schließlich zwei Jahre Buchhandelslehre in Stuttgart dran. Buchbinderei und Schreibwaren wurden bald aufgegeben, Hildegard Kappler wollte „Bücher verkaufen“. Und sie wollte Autoren nach Leutkirch holen, ihnen die Möglichkeit zu Lesungen geben.

Erste Buchwoche organisiert

Gleich nach der Rückkehr aus Stuttgart, 1969, hatte sie mit kleineren Buchausstellungen im Bürgersaal, im Katholischen Gemeindehaus und in der Festhalle begonnen, im Jahr 1980 dann organisierte sie ihre erste Buchwoche in der Festhalle. Die Lesungen bestritten zunächst lokal bekannte Autoren wie Emil Vogler oder Winfried Leuprecht, doch bald sollten überregional bekannte Namen folgen. Dass sie etwa Ota Filip, Elke Heidenreich oder Gerhard Konzelmann nach Leutkirch holen konnte, macht Hildegard Kappler heute noch stolz.

Genauso wie diese Erinnerung: „Klüpfel-Kobr (die Verfasser der Kluftinger-Krimis, d.Red.) haben eine ihrer ersten Lesungen bei mir gehalten.“ 33 Jahre lang hat sie „mit einem riesigen Kraftaufwand“ die Leutkircher Buchwochen gestemmt, dann war Schluss. „Man muss aufhören, wenn es am schönsten ist“, sagte sie und ließ seit 2013 ihre Bücher im Geschäft, anstatt sie im November wagenweise in die Festhalle zu transportieren.

Trotz aller Leidenschaft: Bücher waren nicht ihr alleiniger Lebensinhalt. Hildegard Kappler engagierte sich in der katholischen Jugendarbeit, für die Dritte-Welt- und die Friedensarbeit. Sie hat Kriegsdienstverweigerer beraten, ist Gründungsmitglied des Partnerschaftsvereins und war 18 Jahre lang Vorstandsmitglied der Volkshochschule, gehörte über zwei Wahlperioden dem katholischen Kirchengemeinderat an und saß 18 Jahre für die Unabhängigen im Leutkircher Gemeinderat. Jetzt, mit dem Ende der Berufstätigkeit, will sie sich noch mehr um ihre Familie kümmern.

Die Enkelkinder vor allem, mit denen ihr Adoptivsohn sie zur dreifachen Großmutter gemacht hat. „Ich bin privat gut aufgehoben“, sagt die Buchhändlerin. Und fügt dennoch hinzu: „Es tut weh, das Geschäft aufzugeben.“

Immerhin hat sie in Daniela Schulte eine Nachfolgerin gefunden, die sie nicht nur selbst ausgebildet hat, sondern die eine „Vollblutbuchhändlerin“ sei wie sie selbst. Eine von denen, „die das Buch als Buch sehen und nicht als Ware“. Das zumindest findet sie tröstlich.

Die Buchhandlung Kappler schließt zum 31. Dezember am jetzigen Standort und öffnet nach einer kurzen Umbauzeit im Januar 2015 wieder in den ehemaligen Räumen in der Marktstraße 35.


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