Leutkirch / sz - Erneuten Missbrauchsvorwürfen sieht sich derzeit die Stiftung St. Anna ausgesetzt. Peter L., der in den 1970er-Jahren als Kind in St. Anna lebte, behauptet, er sei mehrmals vom damaligen Leutkircher Pfarrer missbraucht worden. Unterstützt habe den Geistlichen in jene Tagen eine Ordensschwester von St. Anna, die L. damals betreute.
Jochen Narr, stellvertretender Stiftungsvorstand von St. Anna und Bereichsleiter für die Wohngruppen, bestätige am Sonntagmittag auf Anfrage der Schwäbsichen Zeitung den Fall. Betonte jedoch, dass es dem Betroffenen nicht darum gehe, St. Anna zu diskreditieren, sondern vielmehr darum, „sein erlittenes Unrecht anerkannt zu bekommen“. „Er hat keinen Groll auf uns“, schob Narr nach.
In Zusammenhang mit den in den vergangenen Jahren zutage getretenen Missbrauchs- und Misshandlungsfällen in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre habe die Diözese Rottenburg einen entsprechenden Entschädigungsfonds eingerichtet. Hintergrund: Lediglich noch bis 31. Dezember dieses Jahres sei es möglich, Missbrauchsfälle bei der Diözese anzuzeigen und dadurch in den Genuss einer finanziellen Wiedergutmachung zu kommen. Pro Fall seien dies laut Narr jedoch lediglich 10000 Euro. Bisher habe es in St. Anna drei Frauen gegeben, die entsprechende Vorwürfe erhoben hatten.
Äußerst offen zeigte sich Narr am Sonntag und wertete die Vorwürfe gar als Chance: „Wir können dadurch auch in der Öffentlichkeit darstellen, was wir alles tun, dass das nie mehr passiert.“ Beispielsweise gebe es ständig Mitarbeiterschulungen über Nähe und Distanz. Und, „was muss ich beachten, wenn ich zu einem Kind aufs Zimmer gehe?“
Auch unterschrieben auch alle Mitarbeiter eine Erklärung, auf abwertendes und missbräuchliches Verhalten gegenüber den Kindern zu verzichten, was bei Nichtbeachtung auch zu einem Kündigungsgrund geraten könne. Neben einer offenen Kommunikation bis hin zum Praktikanten lägen auch klar festgelegt Verfahrensabläufe vor. Abschließend betonte Narr, dass es auch Ordensschwestern gegeben habe, von denen die damaligen Heimkinder sagen: „Ohne die hätten wir das nie geschafft.“
Schwere Misshandlungen
Von Mitte des vergangenen Jahrhunderts bis in die 1980er war es auch in St. Anna zu Misshandlungen durch die Schwestern der Vinzentinerinnenkongregation aus Schwäbisch Gmünd, heute Untermarchtal, die 1990 die Einrichtung aus Altersgründen verließen, gekommen. Neben stundenlangem Stillstehen im Schlafraum, Essen von schimmligen Brot, das, falls es erbrochen wurde wieder aufgegessen werden musste, berichteten auch ehemaligen Heimschüler über Prügelattacken „beim kleinsten Muckser“. Leutkircher Ärzte, die die Blutergüsse gesehen hatten sowie das Jugendamt schauten damals einfach weg.