Leutkirch / sz - Zum Thema Notdienst hat uns folgende Leserzuschrift erreicht:
Der Vorsitzende des Gesundheitsnetzes Allgäu Dr. Peter hat die Vorteile und Nachteile der seit einem Jahr verfügten Notfall -Praxis vorgestellt. Die dankenswerte Darstellung ist aus der Sicht der Patienten insofern zu korrigieren, als diese Praxis nur schwerwiegende, unzumutbare und zum Teil absurde Nachteile aufweist, die nicht länger hinzunehmen sind.
Wer heute die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdiensts anwählt, wird nicht mit dem diensthabenden Arzt verbunden, der an seinem Praxisort amtiert, sondern mit dem zentralen Bereitschaftsdienst am OSK-Krankenhaus Wangen. Denn nur dort darf der Bereitschaftsarzt den hilfesuchenden Patienten beraten und behandeln. Dem Leutkircher Arzt wird zugemutet, dass er zum Dienst nach Wangen fährt, dem Patienten wird zugemutet, dass er dem Arzt hinterherfährt. Der Bereitschafsdienst orientiert sich – wie am Beispiel des zugesperrten Krankenhauses vorexerziert – nicht am gesundheitlichen Wohl des Patienten, sondern am fragwürdigen Wirtschaftslichkeits-Prinzip der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
Um bei den Kosten anzufangen: Weil öffentliche Verkehrsmittel wie Bahn oder Bus zu den Notdienst-Zeiten nachts oder am Wochenende von vornherein ausscheiden, ist der Patient auf den eigenen Wagen, so er ihn besitzt, oder auf die Benutzung eines Taxis angewiesen. Wieviel Treibstoff verbrennen Ärzte und Patienten auf diesen unsinnigen Fahrten? Was kostet das unfreiwillige Ausflugs-Programm die Versicherten oder die Krankenkassen, soweit diese, wenn überhaupt, den Kostenaufwand ihrer Mitglieder erstatten? Sind die Reisekosten und der Zeitaufwand der bezahlten (oder unbezahlten) Stunden in die Wirtschaftlchkets-Berechnungn der KV eingegangen ?
Schwerer als die Kosten in Euro und Cent fallen die Nachteile in der ärztlichen Versorgung ins Gewicht. Der zunächst ratlose Patient – warum sonst würde er den Rat des Arztes suchen – muss sich ohne Rücksicht auf seinen Krankheitszustand zunächst einmal auf Reisen machen, ehe ihm – vom in den dringendsten Fällen denkbaren Hausbesuch abgesehen – nach "stundenlanger Wartezeit" (Aussage Dr. Peter) Rat und Hilfe zuteil wird, bevor ihm das notwendige Rezept ausgestellt wird. Das ist mehr als "Komfortverlust" für die Patienten in einer nach den neuesten Erkenntnissen eines Sprechers der Kassenärztluichen Vereinigung "sehr weitläufigen Struktur im Allgäu unn im Illertal".
Am schwersten sind wieder einmal ältere und alleinstehende Patienten betroffen. Besitzen sie noch ein eigenes Auto, werden Sie sich, vom Krankheitszustand ganz abgesehen, bei Dunkelheit – das sind im Winter 15 von 24 Stunden – und bei winterlichem Straßenzustand nicht ans Steuer setzen, wenn sie vernünftig sind. Hilfreiche Nachbarn stehen nicht überall bereit, weder als Fahrer noch als Begleiter.
Ehe ein Taxi gerufen wird und stundenlage Strapazen in Kauf genommen werden, liegt auch in dringend behandlungsbedürftigen Fällen nahe, den ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht in Anspruch zu nehmen und die Behandlung aufzuschieben, bis der bewährte Hausarzt greifbar ist. Mit welchen Folgen? Wer kann das verantworten? Wo bleiben die Abgeordneten, die Kreisräte und Gemeinderäte, die endlich Sturmlaufen gegen die Benachteiligung der Patienten 2. Klasse und 3. Klasse, die nicht nur ohne wohnortnahes Krankenhaus und gesicherte Notarzt-Versorgung leben und sterben müssen?
Michael Schnieber, Leutkirch