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Wenn Geschenke, dann Kleinigkeiten

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Leutkirch / sz - Eine Berliner Lehrerin hat im vergangenen Jahr ein Abschiedsgeschenk im Wert von 200Euro angenommen. Dafür wurde sie von einem Elternteil verklagt. Das Verfahren wurde zwar Ende des Jahres eingestellt, aber nur gegen die Zahlung einer Geldstrafe von 4000Euro. Was sagen Leutkircher Schulleiter zu diesem Thema? Die SZ hat sich umgehört.

Beate Zabler war zehn Jahren lang Schulleiterin der Sophie-Scholl-Schule. Seit der Fusion mit der Gewerblichen Schule Leutkirch zur Geschwister-Scholl-Schule im Januar 2014 ist sie dort Schulleiterin. Für sie ist die Lage eindeutig: 'Wir sind Angestellte im öffentlichen Dienst. Es ist klar geregelt, dass wir Geschenke nicht annehmen dürfen. Und bisher hatten wir auch noch nie Probleme. Meine Kolleginnen und Kollegen wissen, was die Geringfügigkeitsgrenze ist.' Ganz ähnlich sieht es Manfred Trieloff, der seit 2010 die Otl-Aicher-Realschule leitet. Er sagt: 'Jeder Beamte, und damit auch jeder Lehrer, macht eine Schulrechtsprüfung. Dabei wird eindeutig geklärt, dass nur zu besonderen Anlässen Geschenke von geringem Wert angenommen werden dürfen.'

Kultusministerium formuliert Merkblatt

Um Unsicherheiten zu vermeiden, hat das Kultusministerium Baden-Württemberg ein Merkblatt zur Annahme von Belohnungen und Geschenken formuliert. Gleich der erste Absatz lautet: 'Lehrkräfte dürfen keine Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile für sich oder eine dritte Person in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.'

Damit ist die Lage aber dennoch nicht eindeutig geklärt. Denn gleich im zweiten Satz heißt es: 'Ausnahmen bedürfen der Zustimmung. Zuständig für die Entscheidung ist (...) die Schulleiterin beziehungsweise der Schulleiter.' Weiter heißt es im Merkblatt: 'Eine feste Wertgrenze, bis zu der Geschenke angenommen werden dürfen, lässt sich nicht angeben.' Wie sieht es also aus, wenn eine Schulklasse einem Lehrer ein kleines Präsent machen möchte?

Trieloff: 'An der Abschlussfeier, und nur da, kommt es vor, dass Eltern und Schüler gemeinsam ein kleines Geschenk überreichen. Das kann ein Blumenstrauß sein oder eine Flasche Wein.' Um in dieser Hinsicht Probleme bei der Abschlussfeier zu vermeiden, führt Trieloff im Vorfeld ein Gespräch mit allen Klassenlehrern und Klassensprechern. 'Und da weise ich immer darauf hin, dass es nicht notwendig ist, ein Geschenk zu machen. Aber wir sagen auch: Wenn man eins macht, muss es für alle Kollegen gleichwertig sein und es darf sich auch nur um eine Kleinigkeit handeln.'

Jan Gesierich-Kowalski, Konrektor der Grund- und Werkrealschule am Adenauerplatz seit 2013, erinnert sich gern an Geschenke, die ideellen Wert besitzen: 'Ich habe mal eine Torte zur Geburt meines Kindes erhalten oder ein Oberteil, auf dem alle Schüler unterschrieben haben. Aber noch nie etwas, das problematisch gewesen wäre.' Auch Schulleiterin Zabler achtet darauf, dass die Geschenke klein sind: 'Blumen gibt es öfters mal.'

Gleichwohl hat Zabler Verständnis dafür, dass Eltern die juristischen Möglichkeiten nutzen, die ihnen gegeben sind: 'Die Eltern haben das Recht und die Pflicht, sich um ihre Kinder zu kümmern. Wenn so eine Situation wie in Berlin einem Elternteil nicht passt, dann muss es die Möglichkeit haben, dagegen vorzugehen.' Dass die besagte Lehrerin ganze 4000 Euro bezahlen musste, kann sie jedoch nicht ganz nachvollziehen: 'Die Strafe ist schon ein bisschen zu hoch.'

Auch Rektor Trieloff findet die Entscheidung etwas zu hart: 'Die Höhe der Strafe wäre juristisch nachvollziehbar, wenn die Lehrerin ein Geschenk aktiv angenommen hätte im Zusammenhang mit der Klasse. Aber da das Geschenk bei einer Abschlussveranstaltung übergeben wurde, stand sie in dem Moment ja nicht mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis mit den Schülern.'

Hierzu steht im Merkblatt: 'Maßgeblich ist vielmehr in welcher Situation und von wem die Lehrkraft oder eine dritte Person (beispielsweise der Ehegatte) ein Geschenk erhält. Entscheidend ist, ob dadurch der Eindruck entstehen kann, dass das Geschenk Einfluss auf eine Amtshandlung nehmen könnte.'

Der Vater, der die Berliner Lehrerin angezeigt hatte, war übrigens selbst Schulleiter. Eine zwischenzeitlich ins Leben gerufene Solidaritätssammlung von Geld, das der Lehrerin als Ausgleich für die Strafe übergeben werden sollte, wurde indes wieder eingestellt. Die Regeln für Geschenke gelten nämlich für jede Art der Zuwendung – auch für Spenden.


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