Leutkirch / sz - Mit Klängen aus der Zeit, als vor 400 Jahren die evangelische Predigtsaalkirche eingeweiht worden ist, stimmte der Musizierkreis Leutkirch in die Ausstellung '400 Jahre Dreifaltigkeitskirche' im Museum im Bock ein und umrahmte die Feierstunde mit zwei Suiten von Johann Hermann Schein und einer Echo-Gagliarda.
Georg Zimmer, Vorsitzender der Heimatpflege Leutkirch, konnte zahlreiche Besucher begrüßen, voran Pfarrerin Ulrike Rose, die Pfarrer Volker Gerlach, Albert Knoch und Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle. Er wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass die um 1615 etwa 2000 Einwohner zählende Stadt sich knapp Hundert Jahre nach dem Bau der Martinskirche an den Bau einer neuen Kirche wagte. Diese Ausstellung, die die Veränderungen in dem Zeitraum 1615 bis 1972 zeige, sei das Gemeinschaftswerk von Helfern der evangelischen Kirchengemeinde und der Heimatpflege.
Pfarrer Gerlach betonte, wie lohnenswert es sei, sich mit der Geschichte dieser Kirche auseinanderzusetzen und hob als eigentliche Triebfeder Rolf Waldvogel hervor, der sich mit einem Ausschuss der evangelischen Kirchengemeinde schon vor vier Jahren an die Planungen der Jubiläumsfeier machte. Er bedankte sich bei dem Team der Heimatpflege, der Archivarin Nicola Siegloch und vor allem auch bei den Leihgebern. In seinem Grußwort ging Oberbürgermeister Henle auf das Zusammenleben der beiden Konfessionen innerhalb der Stadtmauern Leutkirchs nach der Reformation ein und machte auch deutlich, dass der Neubau 1615 mit städtischen Mitteln finanziert worden sei und dass damals das Stadtbild, die Silhouette von Leutkirch mit den Dächern und Türmen beider Kirchen, geprägt worden sei.
Anerkennend hob er hervor, wie die evangelische Kirchengemeinde die Planungen zu den Festlichkeiten des Jubiläums angepackt habe und auch beispielgebend umsetze. Die Einführungsrede in die Ausstellung hielt Rolf Waldvogel. Er bezeichnete das Zusammenwirken der drei Kräfte aus Kirche, Heimatpflege und Stadtarchiv als Glücksfall und 'hoffe, dass das Ergebnis in der Bevölkerung auf Neugier, auf Interesse und auf Anteilnahme stößt'.
Drei Bauphasen
Die Dreifaltigkeitskirch hat mit ihren drei Bauphasen wahrlich eine wechselvolle Geschichte erlebt. Spannend legte Waldvogel dar, wie sich die reformatorischen Gedanken Luthers nach dem Bauernkrieg in Leutkirch festsetzten, wie mit dem Prediger Matthias Waibel verfahren wurde und warum die Reformation erst 1546 in Leutkirch einzog, verhindert durch Bischof Johannes Fabri aus Leutkirch.
Erst nach seinem Tod wurde Leutkirch evangelisch. Dokumente in der Ausstellung belegen diese Vorgänge. Was nun folgt ist eine höchstinteressante Geschichte zwischen den beiden Konfessionen, wie die Protestanten erst in die Martinskirche einzogen, dann mit der viel zu kleinen Spitalkirche Vorlieb nehmen mussten. Der Bau einer Predigtsaalkirche, die erste in Oberschwaben, wurde 1613 unter Baumeister Heinrich Schickhardt in Angriff genommen. Aufzeichnungen finden sich in erster Linie in den Beschreibungen der Furtenbacher, der Pfarrer Loy und Beisel, und einige damalige Inventarstücke sind in der Ausstellung zu sehen.
Die Folgen eines Erdbebens 1855 führten 1857 bis 1860 zu einer Sanierung, die unter Bauinspektor Gottlieb Pfeilsticker im Stil der Neugotik radikal umgesetzt wurde. Mehrere Exponate, darunter drei Apostel, die Sakristeitüre und hölzerne Schlusssteine, sind in das Bockmuseum gebracht worden. Und so manches neugotische Stück, das der Renovierung 1972/73 weichen musste, fand nach einem Aufruf den Weg in diese Ausstellung.
Beruhigung der Gemüter
Ein Gesellschaftlicher Wandel, Baumängel, schlechte Akustik, Kälte und die Nichtnutzbarkeit für das Gemeindeleben führten 1972 unter heftigen Auseinandersetzungen zu dem dritten Umbau – glücklicherweise kein Neubau, wenn man sich die Architekturmodelle für Neubauten ansieht. Die Stadtsilhouette sollte erhalten bleiben, also musste das äußere Erscheinungsbild bleiben, während im Innern mit der Planung des Architekten Heinz Rall alles verändert wurde. Die Höhe des Kirchenraums wurde halbiert, die Ausrichtung um 180Grad gedreht, die Neugotik bis auf wenige Artefakte entfernt.
Das Gemeindeleben konnte nun in die multifunktionale Kirche einziehen und hat somit im Verlauf der Jahre zu einer Beruhigung der Gemüter geführt. Ein Besuch dieser Ausstellung bietet die ideale Möglichkeit, die wechselvolle Geschichte dieser Kirche und somit einen bedeutenden Teil der Stadtgeschichte Leutkirchs zu entdecken.