Leutkirch / sl - Die Leutkircher Kinderärzte machen sich einhellig stark für die frühzeitige Masernimpfung von Kindern. Das ergab am Dienstag eine Umfrage der "Schwäbischen Zeitung". Bei der aufgrund des jüngsten Todesfalls in Berlin in die Diskussion geratenen Impfpflicht gehen die Meinungen auseinander.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Gesundheitsamt des Landkreises Ravensburg Alarm geschlagen. Um eine Ausbreitung der Masern, die einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen können, verhindern zu können, sollten 95 Prozent aller Kinder mindestens zweimal gegen diese Krankheit geimpft sein. Im Landkreis Ravensburg liegt die Impfquote laut Gesundheitsamt deutlich darunter: Kreisweit haben, so die aktuellsten Zahlen, nur 90 Prozent der Kinder im Einschulungsalter die erste Masernimpfung erhalten, bei der zweiten und weiteren Impfungen sieht es mit 80,6 Prozent sogar nochmals deutlich schlechter aus (siehe auch "Die Zahlen aus der Region").
"Todesfall nicht ausgeschlossen"
Einen Todesfall wie der eines Kleinkinds in diesem Monat in Berlin hält das Gesundheitsamt daher für nicht ausgeschlossen.
Eine sogenannte Durchimpfungsquote von etwa 90 Prozent für die erste Impfung bestätigt die Leutkircher Kinderärztin Karin Henriette Suhayda für ihre Patienten. Ihr Kollege Wolfgang Fesseler spricht dagegen davon, dass nach seinen Erfahrungen die Quote in der Region sogar höher sei als im Rest des Kreisgebiets. Winfried Sauterleute geht von einer wesentlich niedrigeren Quote von "geschätzt 80 Prozent" aus.
"Gefahren deutlich machen"
Alle drei Leutkircher Kinderärzte kennen daher auch Eltern, die ihr Kind nicht impfen lassen wollen. Sie setzen vor allem mit Aufklärung dagegen. "Ich versuche diesen Eltern, die Gefahren der Krankheit deutlich zu machen", sagt Suhayda. "Diese Eltern gefährden außerdem nicht nur ihr eigenes Kind, sondern auch alle, die mit ihm Kontakt haben." Sie empfehle daher allen Eltern, deren Kleinkind noch nicht geimpft ist (weil dies frühestens mit dem neunten Lebensmonat möglich ist), Kontakt zu ungeimpften Kindern zu vermeiden.
Einer Impfpflicht steht die Kinderärztin so wie auch ihr Kollege Sauterleute trotzdem ablehnend gegenüber. Im Gegensatz zu Wolfgang Fesseler. "Im Prinzip bin ich dafür", sagt er, fügt aber hinzu, sie sei in der Realität "nicht durchsetzbar". Sauterleute könnte sich aber vorstellen, dass Kindergärten und Kindertagesstätten eine Impfung als Voraussetzung für die Aufnahme einfordern.
Kinder sterben sehen
"Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit wie Mumps oder Windpocken. Von 1000 infizierten können drei so schwer erkranken, dass es zu schweren Komplikationen kommt, die zu einem grausamen Tod führen", sagt Fesseler. Er sei selbst fünf Jahre lang in Afrika gewesen und habe mitansehen müssen, wie in manchen Dörfer bis zu einem Drittel der Kinder den Masern zum Opfer gefallen ist. Er impfe nicht alles, was möglich ist, so der Kinderarzt, aber an Masern führt für ihn kein Weg vorbei.
So sehen es auch seine beiden Kollegen. Auch Winfried Sauterleute ist als Student in Tansania gewesen und "ich habe dort Kinder an Masern sterben sehen. Es ist eine schwer wiegende Krankheit." Gut erinnert sich der Kinderarzt auch noch an das Frühjahr 2010, als es eine Epidemie gab. "Etwa 40 Fälle hatten ich damals, bis auf ganz wenige Ausnahmen waren alle diese Kinder nicht geimpft."
Die Zahlen aus der Region
Bad Wurzach: 92 Prozent der Kinder im Einschulungsalter haben die erste Impfung erhalten. Eine zweite Impfung haben 72,3 Prozent der Kinder erhalten.
Leutkirch: 87,4 Prozent / 60,7Prozent.
Isny: 93,3 Prozent / 78,7 Prozent.
Landkreis Ravensburg: 90,0 Prozent / 80,6 Prozent.
Land Baden-Württemberg: 98,4 Prozent / 88,8 Prozent.