Leutkirch / sz - Im Pfarrarchiv werden bis heute Register der St. Martins-Zinser aufbewahrt. Diese waren Besitzer von Häusern und Grundstücken, von denen jährlich eine Abgabe in Geld oder Früchten an die "Heiligen" (Patrone) der Pfarrkirche, also an die Heiligen-/Kirchenpflege zu entrichten war, zum Beispiel ein Malter Haber oder acht Schilling Heller.
Das älteste Verzeichnis stammt aus dem Jahr 1396 und benennt 14Zinser in der Stadt, 18 in der oberen und 29 in der unteren Vorstadt. Auf die zahlreichen Martinszinser des Umlands soll hier nicht eingegangen werden. Nimmt man diese Aufzeichnungen als "Führer", ergibt sich ein interessanter Rundgang durch das mittelalterliche Leutkirch. Er beginnt am unteren Tor, das damals durchweg "Mittelhofer Tor" genannt wird – nach dem alten, zur unteren Vorstadt gewordenen Dorf Mittelhofen. Das Tor zur oberen Vorstadt, dem alten Ufhofen, heißt dagegen immer Ober(es) Tor.
Der erstgenannte Zinser gleich am Mittelhofer Tor sitzt im "Stein-Haus", das den Äblin gehört. Ihm folgt nebenan des Hansen Schmollers Haus und "disent (diesseits) der Straße der Huppenbichlerine Haus zwischen Ringglin und Ulins Bekken Hus". Paulus hat ein zinspflichtiges Haus mit Hofstatt am Markt zwischen seinem großen Haus und Ulin Lekkers Haus, "das wilend Jeken Äblins ist gesin".
Der "Schnider von Richenhofen"
"Hinten in der Stadt", wo manche Häuser "uff dem Bach" liegen, an der "hinteren Gasse" steht "des Messerschmied selig Hus, disent des Bachs des Kröttlins Hus". Der "Schnider von Richenhofen" hat sein Haus ebenfalls an der hinteren Gasse , bei der Badstube vor dem Bach gelegen. Beim Nannenbacher Tor ist das Anwesen eines Laminitz(?) mit Haus und Hofstatt vor des Goldmans Haus "disent der Straß", Eberlin des Schmieds Haus liegt "enet" (jenseits) der Straße gegen den Zehntstadel. In der oberen Innenstadt gehört "den Heiligen die Fleischbank unterhalb der Metzge" – heute Haus Notz – und auch am Kirchhof wohnt ein Martinszinser.
Zins aus einer Badstube
In der oberen Vorstadt nennt man einen Streifen "heruff gegen das Obertor uff der Ach". Dort liegt ein zinspflichtiger Garten "enet dem Steg uff der Ach und an dem Weg nach Heggelbach" und ein anderer "in dem Gesselin da man gen Herlazhofen ussgat". Weiter oben steht der Schellingine Haus und Hofstatt auf der Ach, Chunraters Anwesen "diset der Ach an dem Berg; einen weiterer Zinser gibt es "auf den Mühlbach". "Enet dem Gesselin" wird ein Garten Schlegels erwähnt, der an die Landstraß stößt und "enet der Landstraß Burken des Schmollers Garten". Ringglins Wies befindet sich "unter dem hohen Berg", Stüdlins "Bemgarten" am Berg und an der Stadt Graben und "der Heiligen-Acker" am "Hungerberg". Zweimal wird in der oberen Vorstadt Zins aus einer Badstube erhoben: aus der oberen Badstube und aus Botzmanns Badstube.
In der unteren Vorstadt wird Martins-Zins bezogen aus "des Alten Ringglins Garten vor dem Mittelhofer Tor an der Landstraß" und dort in der Nachbarschaft aus Konrad Ringglins Gärten "und sind dieselben zwen Garten wilend ein Gart gewesen". Martinszins kommt auch "uss dem Höfli, das vor Gonsen Hus ist zwischen des Pengels Bünd und der Lantstrauss", in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hansen des Lekkers Garten. Weiter draußen liegt ein Zinserbesitz "diset dem Wotterbach (?) bei dem Brunnen" und "des Stekkenlers Gesesse enet dem Wotterbach"; Stekkenler wird in der Wachszinser-Liste lokalisiert "bei der Linde". Genannt wird dort auch "ain gesselin, das in den Wotterbach führt" und "ain gesselin uff dem Wotterbach"; "beim Brunnen" heißt es auch für "des Hafners Haus".
Vor dem Mittelhofer Tor führt in den Brühl "das ander gesselin" und Hans Totzmanns Haus und Hofstatt liegen zwischen der Landstraß und dem hinteren Gäßlein. Zwischen Zaggenhofen und dem Siechenhaus (St. Leonhard) hat ein Wigel einen Zinsacker und die "Heiligen hand ain Garten an der Straß nach Richenhofen zur linken Hand".
Das Register des Jahres 1396 wurde offensichtlich noch länger weiterbenutzt, wie Einträge für – oft mehrfache – Besitzerwechsel zeigen. Ob der Eintrag der Jahreszahl 1531 auf eine durchgehende Nutzung bis dahin schließen lässt, ist unklar. Weitere Register der Zins- und Gülten für St.Martin sind erst wieder für die Jahre nach 1532 vorhanden.