Leutkirch / win - Am Eingang der Dreifaltigkeitskirche werden kleine Zettel verteilt. Zahlen stehen darauf. Was sie bedeuten, wissen die Besucher noch nicht.
Es ist Mittwochabend, 19 Uhr. Etwa 60 Gemeindeglieder, Pfarrer und Interessierte sind auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde in die Dreifaltigkeitskirche gekommen, um an der "Zukunftswerkstatt Kirche 2030" mitzuwirken. "Es ist ein spannendes Projekt", sagt Prozessbegleiter Peter Swozilek aus Vorarlberg durch ein Mikrofon. Die Gäste aus Leutkirch, Isny, Wangen und Kißlegg lauschen gespannt. Sie alle wollen mitdiskutieren, ihre Vorstellungen über die Kirche der Zukunft einbringen. Der sogenannte Beteiligungsprozess wurde von der Bezirkssynode beschlossen.
Sechs Zukunftswerkstätten sind geplant, Leutkirch ist die zweite Station. Bad Wurzach war die erste. "Wir haben hier eine Werkstatt, deshalb arbeiten wir auch miteinander", sagt Swozilek während er auf eine große Tafel mit selbst gebastelten Plakaten zeigt. Darauf zu lesen sind die Fragen: Was macht Kirche für uns zur Kirche? Und was müssen wir tun, um das, was Kirche für uns zur Kirche macht, auch für die Zukunft zu erhalten oder zu schaffen?
Eine Kraft-Tankstelle
Bevor die Arbeitsaufträge bearbeitet werden, gibt’s ein kurzes Kennenlernen. Dann ist es soweit. Fritz Winter hält ein Schild in der Hand. Eine große sechs ist darauf gemalt. "Alle mit der Nummer sechs zu mir", sagt er. Gemeint sind die Zahlen, die zu Beginn am Eingang verteilt wurden. Kurze Zeit später ist Gruppe sechs bereit. Fünf Gemeindeglieder und Fritz Winter diskutieren über die Fragen. Winter schreibt die Antworten mit. Sie werden später den sieben weiteren Gruppen vorgestellt. "Was ist für euch Kirche?", fragt Winter in die Runde. "Für mich ist Kirche ein Treffpunkt aller Gläubigen, eine Tankstelle, wo ich Kraft schöpfen kann und anderen begegnen", sagt Elfriede Oligmüller. Ihr Nebensitzer Wilfried Haaf spricht die Jugendarbeit an. "Die Jugendlichen sind sehr wichtig, denn sie sind die Zukunft", sagt er. "Deshalb sollte man überlegen, ob man eine zentrale christlich-ökumenisch orientierte Jugendarbeit aufbaut." Kirche müsse als Ort der Begegnung, als Heimat erlebbar gemacht werden.
Winter hört zu, schreibt mit und hakt ein: "Da sind wir jetzt eigentlich schon bei der zweiten Frage." 30 Minuten später ist es geschafft, die Antworten sind zu Papier gebracht. Winter steht auf, setzt sich an einen vorderen Tisch zu den weiteren Gruppenleitern und hört zu. Vor ihm liegen die Antworten der Gruppe sechs bereit. Sein Kollege, der Leiter der Gruppe vier, steht auf. Er schnappt das Mikrofon und liest seine Kärtchen vor. Danach werden die bunten Blätter an eine Tafel gesteckt. Prozessbegleiter Peter Swozilek, Brunhilde Raiser, Geschäftsführerin des evangelischen Bildungswerks Oberschwaben und Albrecht Holzhäuer, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, helfen dabei.
Mehr als 100 bunte Karten
Menschlichkeit, Orientierung, Gemeinschaft, Gottesdienste, Glaubwürdigkeit und viele weitere Vorschläge sind darauf notiert. Die Ideen der anderen Gruppen werden nach und nach dazu gehängt. Mehr als 100 bunte Karten zieren am Ende die Wand. "Ich glaube, sie haben voneinander abgeschrieben", scherzt Swozilek. "Es sind oft die gleichen Begriffe", fasst er zusammen. "Sie sehen, das hier ist eine Gemeinschaftsarbeit." Zehn Themenfelder wurden benannt, die eine Arbeitsgruppe nach den Veranstaltungen aufarbeiten wird. Das Erfreuliche daran: Bereits in Bad Wurzach, bei der ersten Zukunftswerkstatt, gab es ähnliche Ergebnisse.
In der zweiten Fragerunde wird bei Gruppe sechs weiterdiskutiert, konkrete Maßnahmen sollen gefunden werden. "Wir müssen aktiv daran arbeiten", sagt Winter. "Das ist die Überschrift. Denn wenn wir uns nicht anstrengen, passiert auch nichts", fährt er fort. Die Gruppenmitglieder stimmen ihm zu. "Die Frage ist, ob wir genug Ressourcen haben, um das zu konkretisieren. Denn wünschen kann man sich viel", sagt Haaf.
Winter schreibt wieder alles mit – und präsentiert es den Anderen. Themen wie Seelsorge, Finanzen, Verwaltungsarbeit, Kirchenpflege, Pfarrdienst, Jugendarbeit und Strukturen werden erneut auf knapp 100 Kärtchen an die Wand gesteckt. "Toll, da sind ganz konkrete Hinweise dabei", lobt Swozilek. "Man sieht viel Ähnlichkeit mit Bad Wurzach, das macht Hoffnung. Schauen wir, was rauskommt." Alle nicken ihm zu – und singen gemeinsam, zum Abschluss "Der Mond ist aufgegangen".