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Was Radfahrer in Leutkirch ärgert

Leutkirch / sl - "Das Radfahren ist in Leutkirch immer noch ein Stiefkind." Ralph Meyer, stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD), Gruppe Leutkirch, sieht noch viel Handlungsbedarf, damit Leutkirch zu einer fahrradfreundlichen Stadt werden kann. Im Gespräch mit SZ-Redakteur Steffen Lang nahm er auch Stellung zu mehreren Fragen, die im Rahmen der Serie "Ärgernis Verkehr" von Lesern an die "Schwäbische Zeitung" herangetragen wurden.

Herr Meyer, der Radschutzstreifen zwischen Urlau und Winterstetten bewegt immer noch viele Gemüter. Das Projekt wurde nun vom Land gegen den Willen der Stadt verlängert. Was hält der VCD davon?

Grundsätzlich sind Radschutzstreifen auch außerhalb geschlossener Ortschaften eine gute Sache. Radfahrern geben sie gefühlte und reale Sicherheit. Aber die Straße zwischen Urlau und Winterstetten ist einfach nicht breit genug für Radschutzstreifen. Hätte man uns vom VCD vorher gefragt, hätten wir zum Beispiel die Strecke von Unterzeil nach Altmannshofen als geeigneter vorgeschlagen.

Also ist das Projekt richtig, aber der Standort falsch?

Genau. Es wird dort nicht gelingen, die Autofahrer mit ins Boot zu holen. Sie sind gewohnt, Herr der Straße zu sein, und nehmen den Radfahrer nicht als gleichwertigen Partner wahr. Deswegen wird oft überholt, ohne den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten – und das bedeutet für den Radler eine gefühlte Unfallgefahr. Leider wissen auch viele Autofahrer nicht, wie sie sich bei Schutzstreifen korrekt verhalten sollen. Dass zudem das Tempolimit dort erst gar nicht kontrolliert wird, macht den Versuch an dieser Stelle noch zweifelhafter.

In der Kemptener Straße klappt es ja ganz gut mit dem Schutzstreifen, oder?

Ja, das ist ein gutes Beispiel für eine sinnvolle Umsetzung. Allerdings gibt es dort noch an den Abzweigen Krähloh bei St. Katharina kritische Stellen, die entschärft werden müssen.

Wo würden Sie sich weitere Rad- und Schutzstreifen wünschen?

Da gibt es einige Straßen. In der Oberen Vorstadtstraße zum Beispiel, in der Memminger Straße, der Wurzacher und Wangener Straße, in der Isnyer Straße.

In der Memminger Straße wünschen sich viele Radfahrer, dass sie statt der Straße den Gehweg benutzen dürfen. Ist das für Sie auch eine gangbare Lösung?

Naja, wir bevorzugen Radstreifen und Radschutzstreifen. Nur wenn das gar nicht geht, sollte man den Gehweg freigeben. Denn Radfahrer sind auf der Straße immer noch am sichersten unterwegs. Dazu kommt, dass auch auf einem freigegebenen Gehweg der Fußgänger immer Vorrang hat und der Radler Schritttempo fahren muss. Ein Radler, der es eilig hat, wird also immer die Straße benutzen.

Fußgänger wiederum beschweren sich, dass Radfahrer sich nicht ans Rechtsfahrgebot halten. Zum Beispiel sei es an der Unterführung der Wurzacher Straße häufiger zu Beinahe-Unfällen gekommen.

Diese Beschwerden kommen zu Recht. Auch für Radler gilt das Rechtsfahrgebot, wo das möglich ist.

In unserer Serie "Ärgernis Verkehr" haben sich auch Autofahrer beschwert, weil Radfahrer die Straße benutzen, obwohl daneben ein Radweg existiert ...

Ja, das ärgert mich als Autofahrer auch. Dabei gilt für Radler Benutzungspflicht, wenn der Radweg zumutbar und mit einem blauen Gebotsschild versehen ist. Hier müssen auch die Radfahrer zu einem besseren Klima beitragen und dürfen nicht die Autofahrer, bewusst oder unbewusst, provozieren. Es gibt aber in Deutschland auch leider viele Radwege in schlechtem Zustand und mit ständigen Auf- und Abfahrten, die zum Beispiel von Rennradfahrern aus gutem Grund nicht angenommen werden.

Was wünschen Sie sich als Radfahrer in Leutkirch außer den Schutzstreifen?

Oh, da gibt es eine lange Liste des VCD. Ein paar Beispiele: Aufstellbereiche für Radler an den Ampelanlagen bei der Mohrenkreuzung; die Unterführung an der Kreuzung der L319 bei Herlazhofen; die Freigabe der noch übrigen Einbahnstraßen in Tempo-30-Zonen; das Absenken von Bordsteinkanten; mehr Parkplätze für Räder, die überdacht sind und wo man die Räder auch anschließen kann. Grundsätzlich wünschen wir uns, dass die Stadt einen Fahrradbeauftragten ernennt und der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen beitritt. Es gibt wirklich noch viel zu tun, den Radfahren ist in Leutkirch immer noch ein Stiefkind.

Ein spezielles Leutkircher Problem?

Es gibt sicherlich Städte in unserer Region, da wurde schon mehr getan. Aber grundsätzlich sind Radler in Deutschland zweitklassige Verkehrsteilnehmer. Der politische Wille ist eigentlich in allen Parteien da, etwas zu verbessern, und doch wird noch viel zu wenig getan. Der Deutsche ist eben sehr autofixiert. Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn er seine Bequemlichkeit ablegt und Entfernungen bis fünf Kilometer mit dem Rad zurücklegt. Diese Strecken machen einen Großteil des täglichen Autoverkehrs aus. Gesundheitlich und ökologisch wäre dies sehr vorteilhaft.

INFO: Der VCD hat für den 11. Juli die Verwaltungsspitze und die Stadträte zu einer "verkehrspolitischen Radtour" eingeladen. Einige der auch im Interview angesprochenen Brennpunkte sollen angefahren werden. Ziel des VCD sind eine Priorisierung, eine Kostenschätzung und die Beantragung eines Etats für den kommenden Haushalt. Der VCD legt Wert auf die Information, dass er nicht nur Radfahrer, sondern sämtliche Verkehrsteilnehmer vertritt, also auch Fußgänger, Nutzer von Bussen und Bahnen, sowie umweltbewusste Autofahrer.


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