Leutkirch / sz - Aziz Rahimi hat im März erneut eine Benefizveranstaltung unter dem Namen "Initiative Herat" auf die Beine gestellt. Im Leutkircher Gasthaus Lamm sammelte der Wirt spenden für seine Heimatstadt Herat im Norden Afghanistans. Viele Leute kamen – und verbrachten einen schönen Abend mit afghanischen Spezialitäten und Livemusik.
Nun war Rahimi in seiner Heimatstadt, um das gesammelte Geld, zusätzliche Spenden und einen kleinen Eigenanteil in Höhe von 4800 Euro direkt dort abzugeben. Er habe die Situation in und um Herat – eine der ruhigsten und sichersten Gegenden in Afghanistan – viel schlechter vorgefunden als bei seinem letzten Besuch, schreibt er in einer Mitteilung. Der Alltag werde immer unsicherer, die Menschen watgen es nicht mehr, sich geistig und körperlich frei zu bewegen. Täglich gebe es Morde und Terroranschläge.
"Für umgerechnet 200 Euro lassen sich überall Killer, Kidnapper und Attentäter kaufen. Das hat natürlich auch mit der ausweglosen Situation vieler Menschen zu tun", so der Lamm-Wirt weiter. Selbst mittelständische Familien verkauften teilweise ihre Häuser, um ihre Kinder über die Türkei und Griechenland nach Europa zu schicken.
Überall ist Angst zu spüren
Jede Entwicklung werde von allen Seiten behindert, und überall sei Angst zu spüren. "Nach meiner Ankunft hatte mir meine Mutter afghanische traditionelle Kleidung gegeben. Als meine Neffen übers Land zu einer Familie fuhren, schmierten sie sich Dreck in die Haare und setzten sich einen Turban auf, um nicht angehalten und gekidnappt zu werden", nennt Rahimi Beispiele.
Sein wichtigstes Ziel sei es gewesen, den Kindern in dem Waisenhaus zu helfen, in dem er bereits im vergangenen Jahr war. "Es waren dort aktuell mehr als 400 Kinder untergebracht. Für 200 Kinder hat ein Geschäftsmann die Versorgung übernommen, die übrigen 208 Kinder sind auf andere Hilfe angewiesen", berichtet Rahimi. Es gebe immer wieder Gemüse von Händlern, aber Vorräte an Grundnahrungsmittel seien praktisch keine vorhanden. Inzwischen gebe es eine richtige Schule dort – bis Klasse sieben.
Insgesamt etwa 3350 Euro hat Rahimi für die Kinder im Waisenhaus ausgegeben. Er habe Grundnahrungsmittel für ein halbes Jahr mit einem Kleinlaster hingebracht:
100 Säcke Reis (insgesamt 2,5Tonnen) für etwa 2500 Euro, 25Ölkanister für etwa 500 Euro sowie Schulmaterial für ein ganzes Jahr (5000Schulhefte, 1000 Kulis, Bleistifte, Spitzer, Radiergummis und vieles mehr) für insgesamt etwa 350 Euro.
"Ich träume davon, dass wir in Leutkirch über einen Verein eine Patenschaft für dieses Waisenhaus übernehmen könnten", so Rahimi.
Kinder durch Kälte und Hunger verloren
Aus seiner Familie habe ihm jemand von einer Familie etwa 30 Kilometer östlich von Herat erzählt, die vier Kinder durch Kälte und Hunger verloren hat und in einem Loch ohne Teppich und Decken leben muss. "Ein Kind haben sie für 200 Euro zur Adoption frei gegeben – und immer noch sind vier Kinder dort, die hungern und frieren", schreibt Rahimi weiter. Über seine Neffen habe er dieser Familie einen gebrauchten Teppich, 200 Kilogramm Reis, vier Kanister Öl, Hygieneartikel und unzerbrechliches Geschirr im Gesamtwert von etwa 320Euro bringen lassen.
Außerdem habe er bereits früher in der Nähe der Grenze zum Iran zwei Witwen kennengelernt. "Die Nachbarn haben ihnen kleine Unterkünfte gebaut, wo sie mit ihren Kindern wohnen, aber auch ihnen fehlt es am notwendigsten. Und so habe ich auch ihnen Reis, Öl und ähnliches im Wert von jeweils 100 Euro gebracht", erzählt Rahimi.
In einer Zeltstadt im Süden seien Flüchtlinge in etwa etwa 1000 bis 2000 Zelten untergebracht. Sie leben dort im Regen und bei Nachtfrost an den Berghängen auf Feldern, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden, aber ohne Einkommens- und Versorgungsmöglichkeiten.
Dazu werde diesen Flüchtlingen, obwohl sie vor den Taliban fliehen, mit Misstrauen begegnet, man schreibe ihnen Selbstmordattentate zu, was manchmal auch stimme. "Als mein Neffe Firooz und ich auf einer neu gebauten Straße auf dieses Zeltlager zufuhren, wurden wir von 100Leuten umringt und bedrängt, die Hilfe von uns wollten. Wie sollten wir da auch nur anfangen?", so Rahimi. Es seien sehr schwierige Entscheidungen, wie und wem man versuchen soll zu helfen; man fühle sich machtlos, angesichts der ausweglosen Situation.
Tee, Zucker und Hygieneartikel
"Wir sind dann weiter gefahren zu einem kleineren Zeltdorf, in dem etwa 55 Menschen wohnten. Die haben wir gefragt, was sie am dringendsten brauchen. Zuerst meinten sie Holz zum Heizen, aber nachdem die wärmere Jahreszeit in Sicht ist, baten sie eher um Lebensmittel", erzählt der Lamm-Wirt weiter. Und so habe jedes Zelt einen Sack Reis, zwei kleine Kanister Öl, etwas Tee, Zucker und Hygieneartikel für insgesamt etwa 500 Euro bekommen. Das habe alle gefreut.
"Deshalb würde ich mich freuen, wenn die Menschen in Herat, vor allem die Kinder, auch weiterhin auf die Leutkircher Unterstützung zählen können", schreibt Rahimi.