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Mio, Fumika und Jiyoon: Sie üben, üben, üben

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Leutkirch / sz - Längst ist es schöne Tradition: Jahr für Jahr im August kommen hochbegabte junge Musiker aus aller Welt nach Leutkirch. Die internationalen musikalischen Sommerkurse locken seit 2004 Geiger, Bratschisten, Cellisten und Pianisten ins Allgäu. Auch heuer sind es mehr als 40 Meisterschüler, die hier zehn Tage lang Unterricht bei renommierten Dozenten bekommen und – eine Leutkircher Besonderheit – überwiegend in Privatquartieren untergebracht sind. Bei Familie Rauch zum Beispiel, die seit zwölf Jahren regelmäßig junge Musiker bei sich zu Gast hat. Ein Hausbesuch.

Noch ist der üppige Frühstückstisch nicht abgedeckt, da dringen schon zauberhaft zarte Geigenklänge durchs Haus. Mio und Fumika tun, was sie am liebsten machen: Sie üben. "Zuhause spielen wir jeden Tag mindestens zwei Stunden. Hier in Leutkirch sind es sechs bis sieben Stunden", sagt Mio Sasaki in nahezu perfektem Deutsch. Die 18-Jährige und ihre 14-jährige Schwester Fumika aus dem fernen Osaka sind fast zwölf Stunden im Flieger gesessen, um an den musikalischen Sommerkursen teilzunehmen. Dieses Jahr bereits zum zweiten Mal, und wiederum wohnen die Japanerinnen bei Familie Rauch. Genauso wie Jiyoon Jeong, 17-jährige Cellistin aus Daegu in Südkorea.

"Wir haben derzeit ein asiatisches Stockwerk und ein deutsches", sagt Josef Rauch schmunzelnd. Die drei jungen Damen sind in den Zimmern im Erdgeschoss einquartiert, das Ehepaar Rauch ist derweil ins Untergeschoss gezogen. Die beiden sind nicht nur Musikliebhaber, sondern auch begeisterte Gastgeber: "Wir empfinden die jungen Leute als echte Bereicherung und haben gerne Kontakt mit anderen Kulturen", sagt Josef Rauch, ehe er noch einmal frischen Kaffee zubereitet.

Mio, Fumika und Jiyoon sind wie immer um sechs Uhr aufgestanden und haben gleich nach dem Duschen die erste Übungseinheit absolviert – noch vor dem Frühstück. Danach geht es sofort weiter – normalerweise. Jetzt, für das Gespräch mit der Zeitung, unterbrechen die beiden ihr Spiel und erzählen von der Begeisterung für ihre Instrumente, von der Disziplin, die sie beim Üben brauchen und von ihren Zielen als Profimusikerinnen.

Den japanischen Schwestern wurde die Freude an der Musik buchstäblich in die Wiege gelegt: "Schon als Baby haben mich meine Eltern mit in Konzerte genommen, zum Beispiel in Wien", sagt Mio. "Und als ich zwei Jahre alt war, wollte ich bereits Geige lernen." Ein Jahr musste sie sich dann zwar noch gedulden, aber mit drei Jahren ging es, ebenso wie später bei Fumika, mit dem Unterricht los. Dass seitdem praktisch kein Tag ohne Üben vergangen ist, empfinden die jungen Damen als völlig normal. "Asiaten sind es gewohnt, jeden Tag zu üben", versucht Mio den Erfolg vieler Musiker aus ihrer Heimat zu erklären. Und Schüler eines musikalischen Gymnasiums brächten auch durchaus acht bis zehn Stunden mit ihrem Instrument zu. Die Frage, ob das Ganze dann noch Spaß mache, beantworte Mio mit einem fröhlichen Lächeln.

Bei den Meisterkursen in Leutkirch geht es allerdings nicht nur um die perfekte Technik. "Professor Schickedanz will uns auch das zeigen, was in der Musik steckt", sagt Mio. Den Ausdruck also, oder die Seele eines Werks herausarbeiten. Weil die Schwestern im Herbst an einem Wettbewerb in Japan teilnehmen wollen, arbeiten sie auch hier im Allgäu bereits fleißig an ihrem Repertoire: Paganini, Bach, Mozart, Brahms oder Ravel zum Beispiel. Und wie alle Kursteilnehmer brennen sie natürlich darauf, an einem der Konzerte der Meisterschüler in Leutkirch, Bad Buchau, Lindenberg oder Immenstadt teilnehmen zu dürfen. Vielleicht am Sonntag in Bad Buchau oder gar beim Abschlusskonzert am Dienstag in der Leutkircher Festhalle.

Darauf hofft auch Jiyoon Jeong: "Auf der Bühne zu stehen, ist einfach wunderbar", bekennt die 17-jährige Koreanerin. Auch sie hat bereits mit drei Jahren angefangen, Cello zu spielen und ist schon als Kind mehrfach bei Konzerten aufgetreten. Jetzt lebt sie in Berlin und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vor. Dort, in Berlin, erzählt sie, wurde sie von Professor Markus Nyikos zu den Kursen in Leutkirch eingeladen. Und so steigt Jiyoon nun jeden Morgen die vielen Stufen hinauf in den Bocksaal, wo traditionell die Cellistenklasse probt, und freut sich zunächst einmal auf die tägliche Körperarbeit. Die Atemübungen etwa, die dem Klang zugute kommen, oder die An- und Entspannungsaufgaben, die auch für Cellisten so bedeutsam sind. Dann heißt es auch für Jiyoon: üben, üben, üben.

Kaum verwunderlich deshalb, dass alle drei von Leutkirch und seiner Umgebung noch nicht viel gesehen haben. Aber wie der Süden schmeckt, das zumindest wissen sie bereits: "Maultaschen, Spätzle, Fleischküchle" haben sie bei Familie Rauch probiert. Und, nicht zu vergessen, "Salat, ganz frisch aus dem Garten". Und noch etwas gefällt ihnen richtig gut: "Leutkirch ist so schön grün und ruhig."

Weitere Informationen gibt es im Internet unter

www.musiksommer-leutkirch.de


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