Leutkirch / sz - Noch in dieser Woche will Gottfried Härle, der Geschäftsführer der Brauerei Clemens Härle, mit seinen Anwälten über die nächsten Schritte im Streit um den Begriff "bekömmlich" in der Werbung für drei seiner zwölf Biersorten entscheiden. Zwei Optionen hat er, nachdem eine Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg seinen Widerspruch gegen eine gegen ihn zuvor erwirkte einstweilige Verfügung am 25. August abgelehnt hat. Er könnte dagegen erneut Widerspruch einlegen oder aber ein sogenanntes Hauptverfahren anstrengen.
"Die Tendenz geht dahin, ins Hauptverfahren einzusteigen", erklärte Härle am Montag gegenüber der "Schwäbischen Zeitung". So ein Schritt hätte den Vorteil, dass er über weitere Instanzen den Fall bis vor den Bundesgerichtshof bringen könnte. Der Berliner "Verband sozialer Wettbewerb e.V." hatte der Brauerei vorerst mit Erfolg untersagt, auf drei seiner zwölf Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich" zu werben. Argumentiert wurde damit, der Begriff gaukle vor, dass Bierkonsum gesundheitlich unbedenklich sei.
Gottfried Härle hat in den vergangenen Wochen viel Post bekommen. Mehr als 1000 Mails und Briefe seien eingegangen. Die Bierszene der Republik interessierte sich für seinen Fall. Die überwiegende Mehrzahl der Reaktionen habe seinen Standpunkt gestützt, sagte Härle am Montag. "Das war schon erstaunlich, was da alles eintraf." Ein Spaßvogel habe ihm den Rat gegeben, in Zukunft seine Produkte als "bierkömmlich" zu bezeichnen. Überrascht hat Härle, dass sich unter den Briefen auch mehrere "sehr ernsthafte sprachwissenschaftliche Analysen" über den Begriff bekömmlich befanden. Andere Härle-Unterstützer argumentierten wie der Bierbrauer damit, das Urteil sei ein weiterer Beleg für die Tendenz, die Bevölkerung in allen Lebensbereichen zu bevormunden.
Gottfried Härle nimmt die aktuelle Rechtslage nicht auf die leichte Schulter. "Das hat mich echt fast vom Stuhl gehauen", sagt er darüber, dass ihm bis zu 250000 Euro Ordnungsgeld drohen, wenn er sich nicht an die Auflagen hält.
Also bemüht er sich nach Kräften, den umstrittenen Begriff aus der Welt zu schaffen. Bei der Werbung im Internet für die drei Biersorten war das ein leichtes Unterfangen. Abgeschlossen ist mittlerweile auch die mit viel Aufwand verbundene Aktion, auf den bereits etikettierten Flaschen den Begriff zu übermalen. Dazu hatte Härle unter anderem Ferienjobber eingesetzt. Seit Montag zumindest verlassen aber nur noch Flaschen die Abfüllstation mit druckfrischen neuen Etiketten.
Aufwendige Bierdeckel-Sichtung
Eine ganz andere Herausforderung bezeichnet Härle als "ein Saugeschäft". Derzeit sichten Mitarbeiter 800000 Bierdeckel. Die sind bunt gemischt und verpackt, auf zehn Prozent der Motive findet sich der Begriff "bekömmlich" ebenfalls. "Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich das Urteil nicht befolge", beteuert Härle.
Noch immer rätselt der Leutkircher darüber, dass ausgerechnet er von dem Berliner Verein wegen seiner Werbung vor Gericht gebracht worden ist. Versuche, die Klagebefugnis des Vereins in Zweifel zu ziehen, scheiterten. Mitglieder des Vereins sind unter anderem, das wurde vor Gericht in Ravensburg bestätigt, zwei große Discounterketten. Diese aber verkaufen Bier. Damit war eine Grundvoraussetzung für so eine Abmahnung erfüllt, das sogenannte "Wettbewerbsverhältnis".
Pikant findet Härle, dass noch vor seinem Verfahren das Landgericht Hamburg ebenfalls über den Begriff "bekömmlich" in der Werbung für einen Kräuterlikör verhandelt hat. Nach dem Widerspruch gegen eine Abmahnung verwies die dortige Kammer das Verfahren gleich an die nächsthöhere Instanz.