Leutkirch / sz - Die ersten 101 Flüchtlinge, die vorübergehend in der Notunterkunft die Sporthalle der Geschwister-Scholl-Schule untergebracht werden sollen, sind am Dienstag in Leutkirch eingetroffen. Drei Busse, der erste hielt um 14.15 Uhr vor der Halle, brachten die Menschen von der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten (Zollern-Alb-Kreis) ins Allgäu. Ein Ehepaar kam mit dem Zug an. Bis zu 200 Schutzsuchende sollen in der Halle in den kommenden Monaten versorgt werden.
Ein Syrer ruft "Freiheit"
"Wir konnten in unserer Heimat nicht mehr leben. Überall wurde gekämpft." Ein Techniker aus dem Norden Syriens, er sei Kurde, sucht sofort den Kontakt zu dem Medienmann. "Freiheit", ruft er. Zusammen mit seiner 35-jährigen Frau, einer Lehrerin, und den beiden Kindern – das Mädchen ist sechs, der Junge elfJahre alt – sitzt der 45-Jährige vor dem Zelt mit der Aufschrift "Check-In" und wartet darauf, registriert und dann in die Halle geführt zu werden. Es herrscht Ruhe. Viele Flüchtlinge sind nach der Busfahrt dankbar, dass ihnen Kekse und Tee gereicht werden.
Das syrische Paar hatte sich vor gut zwei Monaten auf die Flucht gemacht. Die Familie lebte nicht weit entfernt von türkischem Gebiet. Vier Wochen lang benötigten die vier Menschen, um das Nachbarland Syriens zu durchqueren. Dann ging es schneller, "pro Land ein Tag" berichtet die Frau. Mazedonien. Serbien. Kroatien. Ungarn. Österreich. Und schließlich Deutschland.
Nach vier Wochen Aufenthalt in Meßstetten kam jetzt die Verlegung nach Leutkirch. Der Mann zeigt den Bescheid samt Rechtsbelehrung. Nach einem anregenden Gedankenaustausch über die Fluchtgründe (kaum Chancen auf Bildung, keine Arbeit mehr, "und dauernd Bomben") wird das Paar plötzlich nachdenklich. Es redet vom syrischen Sicherheitsdienst und der Angst, identifiziert zu werden. Die Zusicherung, die Personalien nicht preiszugeben, wirkt beruhigend. Auch das Versprechen, die Familie nicht im Bild zu zeigen. "Freiheit" wiederholt der Mann zum Abschied, als das Paar an die Reihe kommt und zur Anmeldung geführt wird.
Wetter spielt mit
Ein Busfahrer berichtete, dass er mit Flüchtlingen schon an Hallen eingetroffen sei, die abgeschlossen waren. Der DRK-Kreisverband mit hauptamtlichem Personal, unterstützt von Freiwilligen des Ortsverbandes und von Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Asyl, hatte aber die Ankunft der Flüchtlinge in Leutkirch gut vorbereitet. "Uns hilft natürlich, dass das Wetter mitspielt", sagt Jörg Kuon, der DRK-Kreisgeschäftsführer, inmitten der in der wärmenden Herbstsonne wartenden Menschen. Er steht vor einem Zelt, in dem kurzfristig Krankenfälle behandelt werden können. Auch Jugendliche des FC Leutkirch, die gerade auf einem Nebenplatz des neuen Stadions kickten, und Bauarbeiter waren sofort zur Hilfe geeilt, um von den Bussen Koffer und Taschen in den Anmeldebereich zu tragen. Betreuerinnen des DRK kümmerten sich vor allem um die Mütter mit kleinen Kindern.
Erst am Montag waren die ersten Listen mit näheren Angaben zu dieser ersten Gruppe dem Landkreis und dem DRK übermittelt worden. Unter den angemeldeten 101 Personen (56 männlich, 45 weiblich) befanden sich demnach auch 39 Kinder und Jugendliche bis zwölf Jahren. Vor allem aus Syrien und dem Irak stammen die Menschen. Deshalb hatten sowohl der Landkreis als auch der Arbeitskreis Asyl dafür gesorgt, dass arabisch sprechende Dolmetscher bei der Anmeldung helfen konnten. Viele Flüchtlinge beherrschen allerdings auch englische Grundkenntnisse. "Aber wir möchten schnell Deutsch lernen", betonte der Syrer.
Gut geeignet für Familien
In den vergangenen Wochen waren in der Sporthalle kleine Wohnparzellen für vier bis sechs Personen eingerichtet worden, besonders gut geeignet für Familien. Um 17.30 Uhr teilte Jörg Kuon dann mit: "Wir sind mit der Anmeldung durch."