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Crashkurs zum Reformator Martin Luther

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Leutkirch / sz - Angenommen, ein Religions- oder Ethiklehrer möchte seine Klasse auf das Martin-Luther-Jahr 2017 vorbereiten. Die Persönlichkeit des Reformators nahe bringen. In die damalige Zeit eintauchen, die Probleme der katholischen Kirche beleuchten. Theologische Fragen – Dogma, Gnade, der Orientierung an der Bibel – erörtern. Nebenbei Luther als sprachmächtigen Übersetzer, Wortschöpfer würdigen, auch seine nach wie vor präsenten Kirchenlieder. Wie lange braucht ein Lehrer dafür, ein Vierteljahr? Die beiden Schauspieler und Musiker Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach schaffen das mit "Play Luther" in neunzig Minuten.

Pfarrer Volker Gerlach begrüßte die Besucher im Namen der evangelischen Kirchengemeinde und des Hans-Multscher-Gymnasiums (HMG). Dann begann im Cubus ein rasantes Spiel. Die Kulisse war überschaubar, links und rechts Drums, Keyboards hinter schwarzen Paneelen. In der Mitte stand ein Gebilde aus Dreiecken, Sinnbild der Dreieinigkeit, das immer weiter wächst, bis es schließlich wie ein Fuller-Dome wirkt. Es soll Luthers sich entwickelnde Glaubenswelt symbolisieren, dazu die sich stets verändernde Kirche. Die strenge Kindheit des kleinen Martin.

Ein Streit zwischen Katholiken und Lutheranern, "wir dürfen denken". Das Unwetter bei Stotternheim, wonach Luther ins Kloster ging. Sodom und Gomorrha in der Kirche, Geldgier, Ablass- und Reliquienhandel, das einträgliche Geschäft mit Pilger- und Wallfahrten. Harte Selbstkasteiungen. Luthers Erkenntnis, "Ich lebe durch die Gnade, durch das Wort, muss keine Angst mehr haben". Der Anschlag der Thesen, der sich im nächsten Jahr zum 500. Mal jährt. Der Reichstag zu Worms. Luthers wegweisende Bibelübersetzung in nur elf Wochen. Bildersturm, Bauernkrieg. Heirat mit Katharina von Bora, "in der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr". Luthers Tod – ohne Angst.

Lukas und Till brachten das in Dialogen, kleinen Szenen, mit Musik und Gesang rüber. Ohne zu langweilen, was ja auch hätte sein können. Die "Kostümwechsel" waren extrem minimalistisch: eine Kapuze, schon ist man im Kloster. Eine Krawatte, schon steht der Kaiser auf der Bühne. Das funktionierte. In Erinnerung bleiben die aktuellen Bezüge: Ist Edward Snowden ein moderner Luther? Betreiben luftverschmutzende Konzerne einen fragwürdigen Ablasshandel, wenn sie sich mit CO-Zertifikaten reinwaschen? Diskussionswürdig sind die dunklen Seiten des Reformators.

Hat er nicht erst zum friedlichen Miteinander mit Moslems und Juden, dann zum Morden aufgerufen? Wie ist Luthers Rolle im Bauernkrieg? Hat sein Antisemitismus nicht bis ins letzte Jahrhundert nachgewirkt? Ja, und Songs gab’s auch. Luthersongs. "Eine feste Burg ist unser Gott" kam poppig-flott, "Aus tiefer Not . . ." im Stil eines alpenländischen Walzers, einmal machten die beiden auf Rammstein. Nun ja, in die Charts kommen sie damit kaum, hörte sich doch sehr nach Evangelischem Kirchentag an. 2017, in Berlin, werden Lukas und Till dabei sein. Vor großem Publikum.

"Play Luther" wird am Freitag, 26.Februar, um 19.30 Uhr auch in der Aula des Isnyer Gymnasiums aufgeführt.


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