Leutkirch / sz - Die Orgelmatinee zur Marktzeit am Samstagvormittag hat zahlreiche Freunde der Orgel in der St. Martinskirche versammelt. Dieses Mal konnte Domkantor Ansgar Schlei (Wesel) als Interpret gewonnen werden. Mit Orgelwerken von Meistern aus drei Jahrhunderten von der Barockzeit über die Romantik bis hin zu zeitgenössischen Werken wurden die Besucher bestens unterhalten. Regionalkantor Franz Günthner begrüßte die Zuhörer herzlich und gab interessante Einblicke in die Werke.
Der Solist verfügt über ein ausgesprochenes Renommee, seine Konzerte rufen deutschlandweit und darüber hinaus großes Interesse hervor. Was nun ist das Besondere an dieser mittlerweile weit über die Grenzen Leutkirchs hinaus etablierten Orgel-Konzertreihe? Zum einen ist es den Machern ein großes Anliegen, die Konzerte zeitlich zu dosieren, dazu kommen die niedrigen Eintrittspreise und nicht zuletzt ein Programm, das man durchaus als abwechslungsreich bezeichnen kann und die Orgel als vielseitiges Instrument quasi anpreist.
Wie es sich für einen evangelischen Organisten gehört, begann das Konzert mit Johann Sebastian Bachs (1685-1750) „Präludium und Fuge c-Moll“ (BWV 546). Bach hat es nach 1723 in seiner Leipziger Zeit komponiert, die Fuge allerdings ist ein früheres Werk, bei dem nicht sicher ist, ob sie aus dem Kreis seiner Schüler entstammt. Kompositionstechnisch spricht einiges gegen die alleinige Autorenschaft des Meisters.
Bach ist insofern für die Orgelmusik, aber auch für die Kirchenmusik allgemein, ein Phänomen, als dass er je nach Bedarf die unterschiedlichsten Werke allererster Güte komponierte. Ein wuchtiger c-Moll Orgelpunkt eröffnet das Präludium, der dichte Tonsatz wird immer mehr gesteigert durch eine triolische Bewegung im Sopran.
Der Organist wählte ein überschaubares, ruhig pulsierendes Tempo, seine Spielweise zeichnete sich durch Unaufgeregtheit aus. Das Fugenthema basiert auf einem c-Moll- Dreiklang, verdichtet sich und drängt immer wieder zu vorbereiteten Spitzen. Durch die Monitorübertragung nach vorne lässt sich das Wirken des Organisten hautnah miterleben, was sicherlich auch zur Kurzweil der in Leutkirch stattfindenden Orgelkonzerte beiträgt. Im Pedal agiert Ansgar Schlei nach vorne gerichtet, jeder Ton wird non legato gespielt. Wiederum frappierend der ausgeglichene, grundtönig schmeichlerische Gesamtklang der imposanten Karl-Orgel mit ihren über 50 Registern.
Mit der „Pastoralen“ von Alexandre Guilmant (1837 bis 1911), der als gefeierter Orgelvirtuose ganz Europa bereiste und dessen Werke populär sind und gut ins Ohr gehen, wurde das zweite Werk zu Gehör gebracht. Eine nasale 8´-Oboe stellt im Schwellwerk die Melodie in den Raum. Ausgeklügelt phrasiert trägt der Organist sein farbenreiches Spiel vor. Er variiert die unterschiedlichen Klangfarben des Instruments. Weiche Liegeakkorde stehen im Gegensatz zu dynamisch aufbrausenden Passagen. Der Einsatz der 8`-Schwebung gibt dem Ganzen eine atmosphärische Dichte, lässt die Musik quasi in höhere Sphären entschweben.
Mit dem Kanadier Denis Bedard, geboren 1950, steuert der Organist noch einen Beitrag zur zeitgenössischen Orgelmusik bei. Seine Kompositionstechnik ist tonal, er überführt traditionelle Gattungen ins Heute und fühlt sich der musikalischen Schlichtheit verpflichtet. In dieser „Suite du premier ton“ kommt es unter vielem anderen zu einem munteren „Dialogue“, dessen Hauptmotiv sich durch die Stimmen stiehlt, wie in Wellenlinien von oben nach unten und umgekehrt setzt sich jeder einzelne Teil des Werkes zusammen zu einem Ganzen. Punktierte, archaische Akkorde leiten den vierten Satz („Grand Jeu“) ein, in der dazwischen liegenden Fuge werden Echowirkungen erzeugt, dichte, bisweilen erschreckende Harmonien treten in den Vordergrund.
Franz Günthner hatte es schon zuvor angekündigt, eine fetzige Toccata, die ihrem Namen alle Ehre machte, zeigte die unglaublich prachtvolle Seite des Instruments. Im ruhigeren Zwischenteil entfaltet sich eine feine Melodie, vom Komponisten fast versöhnlich gemeint, bis in der sogenannten Apotheose noch einmal Dynamik, Tempo und Intensität bis auf die Spitze getrieben werden. Ein begeisterndes Konzert endet mit einem machtvollen Schlussakkord.