Leutkirch / sce - Den Termin in der SZ-Redaktion hat er zwischen Heumachen auf dem heimischen Hof, einen geschäftlichen Termin in Leutkirch und die Fahrt in seinen Ulmer Wahlkreis gezwängt. „Ich bin terminlich gut eingetaktet“, sagt Waldemar Westermayer und wirkt dabei überraschend entspannt. Seit genau sechs Wochen ist er Bundestagsabgeordneter der CDU und pendelt seitdem zwischen Leutkirch, Berlin und Ulm. Als Last empfindet er die neue Aufgabe nicht, wohl aber als „umfangreich und spannend“.
Die 27.Kalenderwoche, seine erste als Bundestagsabgeordneter, begann für Waldemar Westermayer in Stuttgart. Dort bestätigte er im Innenministerium vor der Landeswahlleiterin mit seiner Unterschrift ganz offiziell, dass er sein Mandat annimmt. Die erste Plenarsitzung am Donnerstag, 3. Juli, hatte es dann gleich in sich: In namentlicher Abstimmung wurde über die Angleichung des Rentenniveaus zwischen Ost und West entschieden, außerdem ging es unter anderem um Breitbandausbau, unbefristete Arbeitsverhältnisse, Breitbandausbau, Asylrecht, Bundesbeamtenbesoldung, Weingesetz und ökologische Pkw-Maut. 31 Tagesordnungspunkte, eine Mammutsitzung bis 23.45 Uhr, erinnert sich der frischgebackene Abgeordnete. Den gesamten Marathon hat er sich nicht angetan, aber zur namentlichen Abstimmung über die Rentenanpassung um 21.15 Uhr war er selbstverständlich im Berliner Reichstag zur Stelle.
Was durchaus von Bedeutung ist, denn bei namentlichen Abstimmungen herrscht Anwesenheitspflicht – und die wiederum wirkt sich auf den Geldbeutel aus: Wer unentschuldigt fehlt, bekommt 200 Euro Abzug, entschuldigt sind es immer noch 100 Euro. Das kann sich rasch summieren, denn allein im Jahr 2014 gab es bislang 44 namentliche Abstimmungen, rechnet Westermayer vor.
Sein zweiter Sitzungstag am Freitag, 4. Juli, begann mit der offiziellen Begrüßung durch Ulla Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, und einer Reihe weiterer Beratungspunkte im Plenum – dem Lebensversicherungsreformgesetz etwa oder der Einbringung der Pflegeversicherungsreform.
Aufgeregt sei er nicht gewesen, beim ersten Gang in den Plenarsaal, im Gegenteil: „Ich hab’ ein Gefühl gehabt wie daheim und bin super aufgenommen worden.“ Doch es sind nicht nur die Plenarsitzungen, normalerweise jede zweite Woche, die den Abgeordneten fordern. Genauso wichtig sind Landesgruppensitzungen, Klausurtagungen und die Ausschussarbeit. Westermayer sitzt im Fachausschuss „Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ und ist dort zuständig für Südamerika, Bereich Kirche, Bildung und Tourismus. Themen, die den Landwirt nicht zuletzt aufgrund ihrer Berührungspunkte mit der Landwirtschaft interessieren. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin mit exzellenten Fachkenntnissen arbeitet ihm zu, er selbst nutzt „jede freie Minute“, um sich in die Themen einzuarbeiten. Im Herbst, wenn es um die Fortschreibung der Entwicklungshilfe geht, will er seine Jungfernrede im Deutschen Bundestag halten. Das Thema: Kinderarbeit in Bolivien.
Bolivien, Berlin, Wahlkreis Alb-Donau-Ulm und Leutkirch: Es ist ein weites Feld, das der 61-Jährige zu beackern hat. Denn auch das Allgäu soll vom neuen Abgeordneten profitieren – etwa in der Krankenhausfrage. Die beschäftigt derzeit die Bund-Länder-Kommission, erste Ergebnisse soll es im November/Dezember geben und Westermayer verspricht, am Ball zu bleiben. Wichtig für jeden Abgeordneten sind nicht zuletzt die Landesgruppensitzungen: Sie dienen der Informationsbeschaffung und Kontaktpflege – auch mit der Bundeskanzlerin. So saß man erst jüngst beim Arbeitsessen mit Angela Merkel zusammen und besprach, bei Königsberger Klopsen, die anstehenden Themen.
„Ich hab’ gewusst, was auf mich zukommt“, sagt Waldemar Westermayer zu seinen neuen Aufgaben an ganz verschiedenen Orten. Mit entsprechender Organisation will er den wachsenden Umfang bewältigen. Was sich nicht ändern soll: Nach wie vor beginnt er, wenn irgend möglich, jeden Tag mit ein bis zwei Stunden Stallarbeit. „Das brauch’ ich, damit der Kopf frei bleibt.“