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„In Leutkirch ist das erschütternd“

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Leutkirch / mil/luzi - In einer Pressemitteilung zum Thema Komasaufen berichtet die AOK Bodensee-Oberschwaben, dass die Zahl der Patienten, die aufgrund exzessiven Alkoholkonsums ins Krankenhaus eingeliefert werden, landesweit sinkt. „Komatrinken kommt aus der Mode, falls es überhaupt jemals in Mode war“, sagt die AOK. Die SZ hat dazu mit Vertretern der Polizei, der Oberschwabenklinik und eines Präventionsprojekts gesprochen.

Im vergangenen Jahr seien es nur noch 456 Betroffene und damit 58 weniger, als im Durchschnitt der letzten Jahre. Zwar bildeten Jugendliche die größte Gruppe unter den Komatrinkern, doch auch hier sei ein Rückgang festzustellen, so die AOK weiter. Im Vergleich seien mehr männliche Jugendliche von exzessivem Alkoholkonsum betroffen, doch während sich die Zahl der männlichen Betroffenen verringerte, zeige sich bei jungen Frauen keine Veränderung.

Durchaus kritischer beleuchtet Leutkirchs 1. Polizeihauptkommissar Anton Kempter die Situation. Zwar seien zurückliegend betrachtet „rein vom Gefühl her“ die Einlieferungen in Krankenhäuser zurückgegangen. Dennoch warnte der Polizeichef, der für den Bereich Leutkirch, Bad Wurzach, Aitrach und Aichstetten verantwortlich zeichnet, davor, die Thematik schönzureden: „Jugendlich haben nach wie vor den Drang zum harten Alkohol“, konstatiert Kempter für seinen Zuständigkeitsbereich. Und, sie erhielten diesen auch „recht einfach“. „In Leutkirch ist das erschütternd.“

Auch saisonale Schwankungen habe der erfahrene Leutkircher Beamte über die Jahre hinweg beobachtet. Vor allem zur Fasnet beziehungsweise bei Festen steige die Anzahl der betrunkenen Jugendlichen enorm an.

Der größte Anteil der Fälle in der Region Bodensee-Oberschwaben wurde in Ravensburg gemeldet. Die ausgewerteten Zahlen beziehen sich nur auf AOK-Versicherte, wobei die Krankenkasse die größte Versicherungsanzahl in der Region aufweist. Die Ergebnisse stimmen jedoch, laut Stefanie Notz von der AOK-Pressestelle, mit denen des Statistischen Bundesamts fast gänzlich überein.

Chefarzt spricht von Rückgang

Andreas Artlich, Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin in der Oberschwabenklinik, bemerkt dagegen, dass die Anzahl Jugendlicher, die wegen Alkoholproblemen ins Krankenhaus eingeliefert werden, sinkt. „Für das Jahr 2014 haben wir noch keine Zahlen erhoben, die Auswertung findet immer erst am Ende des Jahres statt, doch gefühlt sind es in diesem Jahr merklich weniger Fälle“, sagt der Kinder- und Jugendmediziner. Schon 2010 habe er den Rückgang deutlich gesehen.

Die Zahlen der Oberschwabenklinik erfassen alle Jugendlichen, die wegen Alkoholproblemen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Alkoholvergiftung und ein komatöser Zustand seien ein Kontinuum, so Artlich. Besonders Jugendliche würden zur Unterzuckerung neigen, daher sei bei dieser Altersgruppe das Risiko, bei exzessivem Alkoholkonsum in ein Koma zu fallen, besonders hoch. „Jugendliche sind beim Erstkontakt mit Alkohol akut gefährdet“, so der Chefarzt. Falsch sei jedoch die öffentliche Wahrnehmung, dass Komasaufen und Alkoholkrankheit ein und dasselbe seien. „Eine Einlieferung ins Krankenhaus bedeutet nicht, dass der Betreffende deshalb alkoholabhängig ist“, macht Artlich deutlich. Dennoch würden die Jugendlichen das dringende Angebot bekommen, sich an einer Präventionsmaßnahme zu beteiligen und mit einem Suchtberater zu sprechen.

Eines dieser Präventionsprojekte ist das Projekt „HaLT – Hart am Limit“, das vor fünf Jahren vom Regionalen Suchthilfenetzwerk ins Leben gerufen wurde. Bei diesem Projekt arbeiten verschiedene Einrichtungen Hand in Hand, unter anderem die Suchtberatungsstelle der Caritas, die Oberschwabenklinik und die Polizei.

Werden Jugendliche aufgrund exzessiven Alkoholkonsums ins Krankenhaus eingeliefert oder von der Polizei aufgegriffen, bekommen sie ein sozialpädagogisches Hilfsangebot unterbreitet und werden von der Caritas zum Suchtberatungsgespräch eingeladen. Ziel des Projekts ist es, Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren frühzeitig über die Risiken des Alkoholkonsums zu informieren.

Eine Befragung habe ergeben, dass 80Prozent der Jugendlichen nach einer Teilnahme am Projekt ihr Trinkverhalten geändert hätten, sagt die Suchtbeauftragte Simone Prommer.


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