Leutkirch / sz - Manfred E. Scharpf hat am Sonntag fast schon traditionell zum Ende eines Sommers die Pforten seines geräumigen Ateliers in Schloss Zeil geöffnet. Ebenso traditionell fanden viele Besucher den Weg hier hinauf, um sich neue Werke anzuschauen. Dieses Mal unter dem Motto „Götterfunken“. Und wer Manfred Scharpf kennt, der weiß, dass ihm keines seiner Themen heilig ist vor dem Hintergrund aktuellen Weltgeschehens. Auch dieses nicht.
Es sei eine Ausstellung für Frauen, stellt er im Gespräch klar und blickt dabei auf das neu entstandene Bild „Titan auf Montage“. Seine Manneskraft hat dieser Muskelprotz sichtlich verloren. Was er stattdessen noch schwingt, ist ein Schraubenschlüssel, der aber zu nichts mehr nütze scheint. Wer ihm haushoch überlegen ist, ist der weibliche Akt an seiner Seite. Sie weiß um die Dinge des Lebens ebenso wie die pralle „Königin der Löwen“ mit ihrer pinkfarbenen wallenden Haarpracht.
Frontal sitzt sie einem gegenüber, die Beine stecken in anzüglichen Netzstrümpfen, im Arm hält sie statt des Jesuskinds einen Stofftierlöwen. Sie verkörpert Scharpfs modernes Marien- oder Madonnenbildnis, das den Betrachter ungeschminkt angeht. „Mich gibt’s nur einmal“, stellt sie sich ihm entgegen und es ist schwer, an ihr vorbei zu kommen.
Denn gleich im nächsten Raum ist sie schon wieder da. Noch größer und noch plastischer. Betitelt mit „Kybele – Geburt des Narziss“ thront sie erhaben vor einem matten Lapislazuli-Fond. Seitlich zwei Tafeln mit metallischen Bruchteilen zweier abgestürzter Flieger in Mähren während des Zweiten Weltkriegs. Auf dem Arm trägt Scharpfs Mutter der Erde das Kind, dem er symbolträchtig eines der Bruchstücke in die Hand gegeben hat.
Manfred Scharpf sei jemand, der Fragen von heute auf den Altar stellt, betonte der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer. Dies vor dem Hintergrund seines jüngsten Monumentalwerks „Beatrice – Weg aus dem Dunkel“, das zur Zeit noch in der Bad Wurzacher Spitalkirche zu sehen ist.
Sinn und Zweck der Kunst sei es, dass sie sich kontrovers gibt, würdigte Strampfer Scharpfs künstlerische Auffassung, die auf Zusammenhänge aufmerksam machen wolle. Gefälliges gibt es hier nicht – weder in Bildern wie „Traminer“, „Was bleibt“ noch „Dionysos“, der sich unverhohlen am Wein berauscht. Sie sind voller Suggestionskraft und wirken unter der malerisch sensiblen Oberfläche lange im Gedächtnis nach.
Woran das liegt, entschlüsselte Helmut Gebelein in seiner Laudatio zum Thema „Magna Mater und Alchemie“. Vor 20 Jahren hat er Manfred Scharpf anlässlich der Ausstellung „Heilräume“ in der Wangener Lungenfachklinik kennen gelernt. Noch im 13. Jahrhundert habe die Alchemie als gängige Methode der Naturbetrachtung gegolten. Bis hin zu Goethes Faust.
Heute ist dieses geheime Wissen fast verschwunden. Geopfert wird dafür dem Materiellen. Gebelein ging auf die Bedeutung der Magna Mater, der Göttin des Himmels, der Erde und der Unterwelt ein.
Auf den Marienkult und die Schwarzen Madonnen. Personifiziert in Scharpfs Triptychon als provokante Kybele, der er einen Himmelsschlüssel in die Hand gegeben hat, auf das sie andere Pforten öffne.
Die Ausstellung „Götterfunken“ mit neuen Bildern von Manfred E. Scharpf im Atelier in Schloss Zeil 34 dauert bis zum 5. Oktober. Sie ist geöffnet täglich außer montags von 14 bis 18 Uhr. Während der Ausstellungsdauer ist das Werk „Beatrice“ in der Spitalkirche von Bad Wurzach an den Wochenenden von 10 bis 17 Uhr zu besichtigen. Näheres ist im Internet unter zu erfahren.