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„Unter der schwarzen Haut stecken nur Menschen“

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Leutkirch / mil - Unerwartet großen Zuspruch hat die Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsarbeit am Dienstagabend im katholischen Gemeindehaus erfahren. Rund 200 Bürger waren gekommen, um sich einerseits von Vertretern des Asylkreises Leutkirch sowie der Stadtverwaltung auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Andererseits erklärten sich zahlreiche Leutkircher spontan beim „Markt der Möglichkeiten“ zu ehrenamtlicher Hilfe bereit.

Ein Abend „der direkten Erfahrung“ sollte es werden, kündigte Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle an. Und er hatte nicht zu viel versprochen: Eingangs erläuterte Priska Wunden vom Asylkreis Leutkirch ihre Arbeit. 2012 sei mit den damals 32 Flüchtlingen der „alte Asylkreis“ wiederbelebt worden. Zwischenzeitlich gebe es alle Hände voll zu tun. Wichtigste Arbeit: die Organisation von Sprachkursen, die umgehend eingerichtet wurden.

Neben Kinderbetreuung, Begleitung bei Behördengängen, oder bei der Eröffnung eines Kontos unterstützten die rund zehn Ehrenamtlichen des Asylkreises die Flüchtlinge in allen Lebenslagen. Allein, die umfassenden Aufgaben seien durch das Team kauf mehr zu bewältigen. Daher appellierte Wunden an die Anwesenden, sich einzubringen – idealerweise im Sinne einer Patenschaft und „Rundumbetreuung“.

Über die Betreuung der 48 männlichen Flüchtlinge in der Memminger Straße berichtete Renate Falter äußerst einfühlsam. Erst nach und nach hätten die Männer vertrauen gefasst, ihre Leidensgeschichten und Sorgen erzählt. Zwischenzeitlich seien sie „aufgetaut“ und ihr „Lachen erreicht nun auch die Augen“. Auch mit der Tatsache, dass die Flüchtlinge teilweise „misstrauisch beäugt“ würden, hielt die Mutter von Lisa Zwerger und Hanna Falter, die sich beide ebenfalls engagieren, nicht hinter dem Berg. „Es gibt laute, leise, ehrliche und unehrliche - auch unter der schwarzen Haut stecken nur Menschen“, brachte es Falter auf den Punkt.

Unglaubliche Strapazen erlitten

Unglaubliche Strapazen hätten die Männer auf ihrer Flucht - die teilweise mehrere Jahre andauerte - erlebt. Und, ihr Handy sei oftmals die einzige Möglichkeit, um mit den Zurückgebliebenen Kontakt zu halten. In machen Fällen berge das Mobilgerät die einzigen Erinnerungen von Familienmitgliedern, die bereits alle getötet wurden. Diese „Ablenkung, diese Freude“ sollte den Flüchtlingen gegönnt werden. Schließlich kenne keiner seine Zukunft.

Über die Schicksale berichtete Hanna Falter. Was die Afrikaner erlebt hätten, sei teilweise so grauenvoll, dass sie ein Stück ihres Glückes abgeben wolle. Betroffenheit herrschte im Saal, als die junge Allgäuerin von der Flucht mit dem Boot erzählte: drei Tage und drei Nächte zusammengepfercht, ohne Toilette, ohne Essen und Trinken, ohne Möglichkeit, sich zu bewegen. „Denn sonst wäre das Boot gekentert.“ Gar mit Eisenstangen sei ein Mann malträtiert worden, der die Enge nicht mehr ertrug.

Die Strapazen der Flucht hat Muhammed Sisoko aus Gambia hinter sich. Er nutzte die Gelegenheit und bedankte sich bei den Leutkirchern - „den nettesten Menschen in ganz Deutschland“ - im Namen aller rund 20 anwesenden Schwarzafrikaner. In Leutkirch werde nicht weggeschaut, sondern geholfen und gekümmert. Einen ganz besonderen Dank sprach er seiner „neuen Famlie aus“: Renate und Günther Falter sowie seinen „Schwestern“ Lisa und Hanna.

Stellvertretend für die Leutkircher Kirchen und Glaubensgemeinschaften klärte Diakon Rainer Wagner, katholische Kirchengemeinde St.Martin, über den anschließen Markt der Möglichkeiten auf.


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