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Wie der Oberschwabe tickt

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Leutkirch / sz - In der Malztenne der Brauerei Härle, die in gedämpftem Licht eine heimelige Atmosphäre verbreitet, hat es am Freitagabend Mundartkabarett mit urschwäbischem Humor gegeben. Jörg Weggenmann aus Mittelbiberach alias Xaver Scheiffele gab einen Einblick in seine oberschwäbische Seele. Bei ihm immer mit von der Partie: Das wilde Gestikulieren mit Händen und Füßen und, wenn der Wortschatz im Schwäbischen zur Neige geht, die dazu entsprechenden „Aahs“ und „Uhs“. Dadurch baut er einen Kontakt zum Publikum auf und spricht einem aus der Seele.

Er stellte sich seinem Publikum als früher Frührentner vor und gab zunächst einmal eine Unterweisung in die verschiedenen Arten des Applaudierens. Von seiner besseren Hälfte erzählte er recht humorig. Um zu vermeiden, dass er und „sui“ gemeinsam aufs Oktoberfest müssen, schenkt er ihr lieber ein Wellness-Wochenende, von dem sie fünf Jahre jünger zurückzukommen scheint, bei dem gleichzeitig stattfindenden Männer-Wochenenden fühlt er sich danach allerdings immer fünf Jahre älter. Reizthemen wie Stuttgart 21 lässt der auf unnachahmliche Art und Weise in sein kurzweiliges Programm einfließen. Vom Internet, das seiner Meinung nach eine Technik ist, die sich noch nicht durchgesetzt hat, hält er wenig. Sein Sohn, der jetzt mit 41 Jahren von zu Hause endlich ausgezogen ist, will ihn in die Geheimnisse eines Faxgeräts einweisen, er allerdings wundert sich darüber, dass das Blatt unten wieder herauskommt.

Mit seiner Koopfbedeckung, die eher an Schottland als an Oberschwaben erinnert, und einer grauen Allzweck-Weste zeigt er auf, dass er als Oberschwabe sparsam ist und kein Interesse an neuen Dingen hat. Gegenüber seiner Frau bleibt er lieber maulfaul. Er klampft auf seiner „Kendergitarr“ herum und trällert einige Liedchen.

Endlosthema Mann und Frau

Gut, den verstorbenen Marcel Reich-Ranicki mit seiner fließenden Aussprache zu imitieren, ist vielleicht angesichts der Tatsache, dass der Literaturpapst erst vor kurzem verstorben ist, Geschmackssache. Der „Gatenhag“-Song und die verdeutschten Anglizismen, aus dem New Yorker-Stadtteil „Bronx“ wird zum Beispiel „Bronchien“, sorgen für manchen Lacher. Lustig ist auch, wie er manch typische schwäbischen Gepflogenheiten auf die Schippe nimmt. Das Krippenspiel zum Beispiel, bei dem der Hauptdarsteller seinen Text vergisst, trotzdem aber meint, in Hollywood eine großartige Karriere machen zu müssen, dann allerdings nach Jahren zurückkommt, von der Polizei vom Flughafen weg direkt nach „Stammhausen“ gebracht wird, während das verdatterte Empfangskomitee seines Heimatdorfes wie getunkte Pudel neben der Rollbahn stehen.

Das Endlosthema Mann und Frau hat in seinem Programm einen wichtigen Stellenwert. Er erzählt von seinen täglichen und nicht alltäglichen Erlebnissen, wenn er zum Beispiel im Urlaub auf ein nicht teilbares Doppelbett stößt oder von der Putzwut seiner Gattin berichtet, die ihn während eines spannenden Fußballspiels zu verbalen Stellungnahmen auffordert. Auch als „Prosit-Dichter“ macht er mit seinem Gedicht „Jahreszyklus“ von sich reden. Seine Hinweise am Ende auf das Budget bei den Weihnachtsgeschenken fordern die Lachmuskeln ebenso wie seine Tipps ungebetene Christbaumlober durch innerlich angewendeten Bärwurz in die Flucht zu schlagen.

Tiefenentspannt sitzt er auf seinem Stuhl. Er wirkt echt und plaudert drauflos. Vieles erzeugt seine Wirkung nicht durch die Worte, sondern die Art und Weise, wie er sich als „bruddliger Schwob“ gebärdet. In Mimik und Gestik übertreibt er, dadurch wird die Pointe seiner Kalauer gesteigert. Wie der Oberschwabe tickt, das hat Jörg Wegenmann unterhaltsam aufgezeigt.


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