Leutkirch / bgw - Dritter Advent, früher Abend. Das Städtchen ist vorweihnachtlich beleuchtet, Menschen sieht man zu dieser Stunde kaum. Auch ganz oben im Bockturm brennt Licht. Da bringt Ana Bienek mit Gitarre und warmer Stimme Geschichten und Lieder aus Irland, der grünen Insel, auf der sie ein Jahr lang gelebt hat. Ein stimmungsvoller Abend, ohne Kitsch und Weihnachtstralala. Eine Sängerin, die natürlich, unverkrampft über Volksglauben und Aberglauben berichtet. Und Songs im Repertoire hat, die man sonst eher nicht hört.
Die Bühne ist liebevoll dekoriert, mit zwei Kerzen, dem selbst gebastelten Engel (der bei Ana Bienek das ganze Jahr im Wohnzimmer willkommen ist), und den drei Grüns, die in Irland keinesfalls fehlen dürfen: Stechpalme mit roten Früchten, der Mistelzweig und Efeu. Die Stechpalme schützt das Haus vor Feuer und Blitz, der Efeu ist weiblicher Part, und unter der Mistel dürfen Küsse ausgetauscht werden. Das Fest der Liebe. Nicht jeder innige Kuss ist freilich von Dauer, so wandert der Zweig nach dem Fest in den Ofen. Dann beginnt wieder der irische Alltag, früher von harter Arbeit und Armut geprägt.
Eine kleine Rassel um den Fuß
Ana Bienek, in Wangen geboren, beginnt mit „Christmas is coming“, einem alten irischen Weihnachtslied, auch hier nicht ganz unbekannt. Sie steht entspannt auf der Bühne, um den linken Fuß eine kleine Rassel. Mit einer schönen Gitarre des Leutkircher Instrumentenbauers Heiner Dreizehnter, der in Musikerkreisen einen exzellenten Ruf genießt. Die ersten Akkorde spielt die Bardin etwas holprig, wird aber schnell sicher. Die Stimme ist von Anfang an präsent, warm und herzlich. Schön.
Und Bienek erzählt, ganz familiär. Dass sie einen gewissen Kitsch durchaus liebt, sich immer wieder auf den Weihnachtsfilm „Drei Haselnüsse für Aschenputtel“ freut. Vor allem aber berichtet sie von den Bräuchen der Iren, einem tief gläubigen Volk, dem Aberglauben dabei nicht abhold.
In der Grafschaft Kerry hofft jeder, dass die Heilige Familie bei ihm einkehrt, in persona oder in anderer Gestalt. Alle Türen stehen offen. Der Bettler wird bedacht, dazu der Song „Christmas in the old man hat“. Die Mitternachtsmette eröffnet in Irland Weihnachten, stimmungsvoll nicht nur in früheren Zeiten, als die Leute durch die Dunkelheit aus allen Richtungen mit Fackeln zur Kirche zogen. Die „Sieben Freuden der Maria“ trägt sie vor, die Iren verehren Maria sehr, dann das jamaikanische „Mary’s Boychild“, zum Mitsingen. In der Pause gibt es irische Snacks, Cheddar oder Lachs in Blätterteig, lecker. Eine alte Melodie aus dem 16. Jahrhundert klingt seltsam vertraut – Mozart hat sie sich ausgeborgt. Zum Schluss ein bekannter Song, zu oft im Radio tot gedudelt, hier einfach und glaubhaft, „I wish you a merry christmas“. Es gab viel Beifall, und eine innige Zugabe.