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„Ausgeflippt“ und dann zugebissen

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Leutkirch / dkd - Im Streit um einen Ausritt soll eine Leutkircher Pferdebesitzerin einen Stallbesitzer und andere Personen getreten, dann mit Zügeln geschlagen und schlussendlich gebissen haben. Deshalb musste sich die Frau jetzt vor dem Amtsgericht in Leutkirch wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Nachdem sie die Tat zugegeben hatte, konnte ihr Rechtsbeistand nur noch um ein mildes Urteil bitten. Richter Franz Hölzle kam der Bitte der Verteidigung nur teilweise nach.

Die Angeklagte zeigte sich von Anfang an sehr offen und erzählte wie der Vorfall aus ihrer Sicht zustandegekommen sei. Anfang Juli vergangenen Jahres hatte die Pferdebesitzerin ihr Pferd bei einem Stallbesitzer in Bad Wurzach eingestellt, jedoch ohne genauere Absprachen zu treffen, in welchem Umfang die Versorgung des Tieres vonstatten gehen sollte. Rund zwei Wochen später sei es dann zu dem Handgemenge gekommen. Sie hätte ihr Pferd gesattelt und wollte ausreiten. Als sie aufstieg, warf der Hengst die Frau ab und galoppierte davon. Der 40-jährige Stallbesitzer und seine Lebenspartnerin hätten das Pferd eingefangen und es in die Box gebracht. Als die Besitzerin das Tier wieder übernehmen wollte verweigerte das Paar ihr die Herausgabe. Der Mann hätte sie wüst beschimpft, unter anderem, dass sie aus "Schussenried ausgebrochen" sei. Sie hätte sich bedroht gefühlt. Deswegen trat sie dem Pferdewirt, seiner Lebensgefährtin und einer Anwohnerin vors Schienbein, schlug mit den Zügeln nach den Dreien, die sich zwischen sie und das Pferd gestellt hatten. Als Höhepunkt biss sie dem 40-Jährigen eine blutende Wunde in den Unterarm. Nachdem ein weiterer Mann dem Trio zur Hilfe geeilt war, die Pferdebesitzerin gepackt und vor die Stalltüre gesetzt habe, sei sie kurz danach im Auto davongefahren.

"So eine Reaktion habe ich noch von keinem Menschen erlebt"

In der Vernehmung des Stallbesitzers zeigte sich, dass der Vorfall zumindest so ähnlich abgelaufen sein muss. Jedoch schilderte er die handfeste Auseinandersetzung und deren Zustandekommen deutlich anders. Nachdem er und seine Lebensgefährtin das Pferd eingefangen und in den Stall gebracht hatten, habe er der Angeklagten zwar verwehrt wieder auszureiten, jedoch habe er ihr ruhig und sachlich erklärt, dass es sowohl für sie als auch für das Tier sicherer sei, es heute damit zu belassen. "So eine Reaktion habe ich noch von keinem Menschen erlebt", kommentierte der Geschädigte das Verhalten der Angeklagten, was nun folgte. Sie sei komplett "ausgerastet". Sie habe sowohl nach den Anwesenden als auch nach dem Pferd geschlagen. Der Geschädigte berichtete zusätzlich, dass sich die Angeklagte kaum um das Tier gekümmert habe, er selbst habe sie in den zwei Wochen nicht gesehen. Berichten zufolge sei sie, wenn sie da war, nachts um halb zwölf im Stall gewesen. Nachdem er sie länger nicht mehr gesehen hatte, erkundigte er sich bei einer Bekannten, ob diese etwas über den Verbleib der Frau wisse. Diese soll ihm erzählt haben, dass die Pferdebesitzerin in dauerhafter psychiatrischer Behandlung sei. Deshalb habe er während des Handgemenges in seiner "Narretei" seiner Freundin zugerufen: "Ruf doch mal in Schussenried an, ob die abgehauen ist?"

Die Vernehmungen der beiden weiblichen Betroffenen unterstrichen die Aussage des 40-Jährigen. Beide fanden kaum Worte, um das "abnormale Verhalten" der Pferdebesitzerin zu beschreiben. Das anschließend vorgelegte ärztliche Attest der Angeklagten besagte, dass diese unter Persönlichkeitsstörungen, Depressionen und anderen geistigen Erkrankungen leidet und sich deshalb auch in Behandlung befindet. Die Verteidigung betonte die psychische Zwangslage der Frau und bat darum, dies bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Die Staatsanwältin forderte sieben Monate Freiheitsstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Plus 30 Arbeitsstunden in einer sozialen Einrichtung.

Richter Hölzle wählte eine relativ milde Strafe. Er verhängte 120 Tagessätze zu zehn Euro. Er blieb damit im unteren Bereich des Strafrahmens. "Ich bin von einem minderschweren Fall ausgegangen. Allerdings ist klar, die Zeugen wollten Ihnen nur helfen, und dann sind Sie ausgeflippt", kommentierte Hölzle seine Entscheidung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


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