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Bei wem die Stadt Schulden hat

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Leutkirch / sz - Rosig ist die Finanzlage der Stadt Leutkirch nicht. Positiv betont wird indes stets die niedrige Verschuldung der Kommune. Rund 1,7 Millionen Euro hat sie. Das sind rund 82 Euro pro Einwohner – ein Wert weit unter dem Landesdurchschnitt. Jeweils allerdings ohne die Eigenbetriebe Wasser und Abwasser, die weitere 9,2 Millionen Euro Schulden haben. Der für die Finanzen der Stadt Leutkirch zuständige Bürgermeister Martin Bendel und Ingrid Buder von der Kämmerei haben die Fragen von SZ-Redakteur Steffen Lang dazu beantwortet.

Bei wem hat die Stadt Leutkirch die Schulden?

Bei vier Instituten steht die Kommune in der Kreide: der Westfälischen Landschaftsbank (rund 873000 Euro), der Kreissparkasse Ravensburg (rund 540000 Euro), der Landesbank Baden-Württemberg (rund 233.000 Euro) und der Deka-Bank (rund 63000 Euro). Die Stadt folgt dabei der selbst auferlegten Richtlinie, nur bei deutschen Banken Kredite aufzunehmen.

Wie läuft eine Kreditaufnahme ab? Wer entscheidet, bei wem die Stadt nachfragt und wessen Angebot sie annimmt?

Zunächst muss der Gemeinderat einer Kreditaufnahme zustimmen. Dann muss die Stadt sich diese vom Regierungspräsidium als Rechtsaufsicht genehmigen lassen. Erst dann kommt die Kämmerei ins Spiel. Sie fragt Banken und Kreditvermittler ab und holt sich Angebote ein. Neben der Höhe legt die Stadt auch die Laufzeit des Kredits fest. Meist bevorzugen Kommunen lange Laufzeiten von 20 Jahren. Das letzte Wort, welches Angebot angenommen wird, hat der Oberbürgermeister.

So leicht wie in früheren Jahren sind Kredite auch für Kommunen nicht mehr zu bekommen, sagt Bendel. "Seit der Bankenkrise und den daraus resultierenden Beschränkungen gibt es nicht mehr so viele Angebote." Dazu kommt das niedrige Zinsniveau, das Kreditvergaben für die Bank nicht mehr so lukrativ macht wie noch vor einigen Jahren.

Oftmals helfen auch die Hausbanken der Stadt bei der Vermittlung von Krediten. So geschehen bei der Landesbank (über die Kreissparkasse) und der Westfälischen Landschaftsbank (über die Leutkircher Bank). Bei der Vermittlung über Makler achte die Stadt stark auf deren Seriosität, betonen Bendel und Buder.

Muss die Stadt bei jeder Kreditaufnahme ihre Kreditfähigkeit nachweisen – ähnlich des Schufa-Nachweises beim Privatmann?

Nein. Vorzulegen sind aber die Zustimmung von Gemeinderat und Regierungspräsidium.

Wer steht ein, wenn die Stadt ihre Kredite nicht mehr bedienen kann?

Notfalls würde das Land Baden-Württemberg einspringen müssen. "An so einen Fall kann ich mich aber nicht erinnern", sagt Bendel. Die der Kreditaufnahme vorgeschaltete Rechtsaufsicht habe solch einen Fall bislang stets verhindert. Kommunen seien insgesamt sehr sichere Schuldner, da sie nicht insolvent gehen können.

Versucht die Stadt angesichts des derzeit niedrigen Zinsniveaus umzuschulden?

Dies ist derzeit laut Bendel und Buder kein Thema für die Stadt. Im Falle einer früheren Rückzahlung als vereinbart würden sogenannte Vorfälligkeitszinsen fällig, die mindestens so hoch wären wie die Einsparungen. Kurz: Es lohnt sich nicht. Allerdings: "Wenn die Zinsbindung eines Kredits ausläuft, überprüfen wir, ob eine Umschuldung wirtschaftlich Sinn macht", sagt Ingrid Buder. Vorfälligkeitszinsen sind eine Art Strafzahlung, die die Bank erhebt, weil ihr die erwarteten Zinseinnahmen entgehen.

Den Schulden in Höhe von rund zwei Millionen Euro steht ein städtisches Eigenkapital von etwa zwölf Millionen Euro gegenüber. Wie ist dieses Geld angelegt?

Größtenteils auf Sparkonten ("Festgeld") bei ortsansässigen Banken. "Es gibt einen Ratsbeschluss, dass Anlagen bei ortsansässigen Banken zu tätigen sind", sagt Bendel. Außerdem schreibt der Gesetzgeber den Kommunen vor, dass Sicherheit vor Ertrag stehen muss. Sprich, die Kommunen dürfen nicht spekulieren, also zum Beispiel Aktien kaufen. Das Geld ist meist mit kurzer Laufzeit angelegt, damit die Stadt schnell Zugriff darauf hat. "Außerdem hoffen wir natürlich, dass die Zinsen wieder steigen", ergänzt Buder.

Würde es nicht Sinn machen, aus dem Eigenkapital die Schulden komplett zu tilgen?

Was in der Theorie auch aufgrund des geringen Zinsertrags naheliegt, macht laut Bendel und Buder wegen zwei Gründen in der Praxis keinen Sinn. "Zum Einen ist das Geld verplant", sagt Bendel. "Wir brauchen unsere Rücklagen, um die in den kommenden Jahren anstehenden Investitionen zu finanzieren. Sonst müssten wir dann wieder neue Kredite aufnehmen." Zum Anderen würden die schon erwähnten Vorfälligkeitszinsen fällig werden, die die jährliche Einsparungen, in diesem Jahr rund 67000 Euro an Zinsen wieder minimieren.

Warum nimmt die Stadt nun aber doch für eine Investition in die energetische Sanierung der Seelhaushalle einen Kredit über eine halbe Million Euro auf?

Dies geschieht, weil es derzeit für energetische Sanierungen sehr günstige KfW-Kreditprogramme gibt. Weil zusätzlich absehbar ist, dass die anstehenden Investitionen das Eigenkapital weitgehend aufzehren werden (voraussichtlich bis 2018), greift die Stadt jetzt, bei niedrigem Zinsniveau, zu. Außerdem würden die aus der energetischen Gebäudesanierung resultierenden Einsparungen bei der Bewirtschaftung und Unterhaltung der Gebäude dazu beitragen, dass sich die Zinsaufwendungen für die Kreditaufnehmer wieder amortisierten.

Die Eigenbetriebe der Stadt – Wasser und Abwasser – haben zusätzlich rund 9,2 Millionen Schulden. Wird durch diese Ausgliederung nicht einfach nur die städtische Finanzlage schöngerechnet?

Auch diese Schulden werden von der Rechtsaufsicht bei der Überprüfungen neuer Kredite miteinbezogen. Allgemein könnte man diese Praxis der doppelten Haushaltsführung mit einem Privatmann vergleichen, der nebenberuflich ein Kleingewerbe betreibt. Die Ausgaben der Eigenbetriebe und damit ihre Schulden sind außerdem "rentierlich". Das heißt, ihnen stehen konkrete Einnahmen – die Gebühren für Wasser und Abwasser – gegenüber. Und diese sind zweckgebunden. Abwassergebühren dürfen nur für den Eigenbetrieb Abwasser verwendet werden – während ja zum Beispiel Hundesteuer oder Bußgelder nicht zweckgebunden in den städtischen Haushalt einfließen. So soll eine Subventionierung des Wasserpreises durch den Steuerzahler ausgeschlossen werden. "Für das Wasser zahlt nur der, der es verbraucht", so Bendel.


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