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Hoher Ton mit heiterer Note

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Leutkirch / sz - Kann man mit "Minna von Barnhelm" heute noch ins Theater locken? Wenn das Lustspiel so entstaubt über die Bühne geht wie am Samstag in der Festhalle, dann ist dies keine Frage. Das Theater Eisleben unter der Regie von Martina Bode verpasste Gotthold Ephraim Lessings Stück vom Soldatenglück eine so wirkungsvolle Frischzellenkur, dass der Abend zum putzmunteren Erlebnis geriet.

Anschauungsmaterial für dieses vor mehr als 250 Jahren geschriebene Stück sammelte Lessing als preußischer Gouvernementssekretär während des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763). Sein Held Major von Tellheim dient unter König Friedrich II. Allerdings wird er unehrenhaft entlassen, weil er Zahlungen der sächsischen Kriegsgegner sehr niedrig angesetzt und dann gegen einen Schuldschein aus eigener Tasche vorgestreckt hat. Als er diesen Schuldschein bei der Kriegskasse eintauschen will, wirft man dem nobel Gesinnten Bestechung vor.

Zuschauer müssen genau zuhören

Diese Ursachen für die kritische Finanzlage des Soldaten aus den Dialogen des zunächst etwas steif agierenden Tellheims mit seinem Diener Just herauszufiltern, erforderte von den Zuschauern schon ein genaues Zuhören. Da kommt das rasante Auftauchen von Minna mit ihrer Kammerzofe Franziska gerade recht. Sie quartieren sich im gleichen Berliner Gasthaus ein, in dem auch Tellheim logiert. Keck, nur mit knielangen Unterhosen und Leibchen bekleidet, wirbeln sie durchs Treppenhaus und plaudern über Liebe und Zweisamkeit. Überglücklich wähnt sich Minna schon am Ziel ihrer Träume: "Alles was ich suchte, habe ich gefunden!" Doch sie hat nicht mit dem Stolz und Ehrgefühl eines verbohrten preußischen Offiziers gerechnet. Er will und kann als verarmter und entehrter Adeliger sie nicht mehr ehelichen. Standesdenken spielt in diesem meistgespielten Stück auf deutschen Bühnen eine große Rolle. Da bleibt Lessing ganz seiner Zeit verhaftet.

Er bricht allerdings aus diesem Denken aus, wenn er die junge Frau mit List und Leidenschaft sehr emanzipiert um ihr Glück kämpfen lässt. Mit ihrer Finte, selbst verarmt zu sein, gewinnt sie den Geliebten zurück. Doch als Tellheim nach seinem Prozessgewinn wieder Ehrenmann und finanzkräftig ist, ziert sie sich. Wie soll sie Verarmte einen Edelmann heiraten?

Zugegeben: Dieses ehrpusselige Hin- und Her zog sich etwas in die Länge. Da darf man auch einen Lessing mal ein bisschen kürzen. Aber dafür sprühten die beiden Frauenzimmer vor Spiellaune. Yvonne Döring als Minna und Michaela Dazian als Franziska schlugen aus jedem kleinen Wortwitz mächtig Funken und machten den für unsere heutigen Ohren mitunter recht gespreizt wirkenden hohen Ton der Dialoge fast vergessen. Quirlig, reizend, charmant, kapriziös und nicht ohne einen gehörigen Schuss an Sex-Appeal, um es mal modern zu sagen – ein starkes Duo.

Einerseits ein Ehrenmann, andererseits ein Sturkopf

Gegen dieses Temperament zu bestehen, war für die Männerriege alles andere als einfach. Patrick Oliver Schulz verlegte sich als geldgierig-serviler Wirt etwas zu sehr aufs Chargieren – nicht jedermanns Sache. Stärker dagegen der Auftritt von Oliver Beck als Glücksritter Riccaut de la Marlinière, der als Falschspieler gewissermaßen Tellheims krasses Gegenstück darstellt. Inwieweit hier Lessings Abneigung gegen den Kriegsgegner Frankreich die Feder geführt hat, sei dahingestellt. Christopher Wartig war als Just ganz das gutmütige Faktotum. Andreas Klopp wiederum hatte mit der Rolle Tellheims einen schwierigen Part. Einerseits ein Ehrenmann, andererseits ein Sturkopf, der sich von niemanden helfen lassen will. Der Retter in der Not selbst in Not? Das kann er nicht akzeptieren. Und da wirkt Lessing – bei allem heutigen Unverständnis gegenüber Soldatenehre und Standeshürden – doch ganz aktuell: Hilfe annehmen, ohne sich gekränkt zu fühlen, ist schwerer, als sie großmütig auszuteilen.

Große Anerkennung für das Bühnenbild, das mit zwei Ebenen und zahlreichen Türen das Geschehen wirkungsvoll untermalt. Und den hochverdienten Lohn fuhr diese agile Truppe dann auch zurecht mit einem Riesenbeifall ein.


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