Quantcast
Channel: Schwäbische: Feeds: Trossingen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 8808

Heimatpflege besucht Südböhmen

$
0
0

Leutkirch / rs - "Böhmische Dörfer" stehen im Sprachgebrauch für Dinge und Umstände, die sich unserem Alltags-Wissen entziehen. Die Kulturreise der Leutkircher Heimatpflege ("Auf den Spuren der Rosenberger") führte von Christi Himmelfahrt bis Sonntag 40 Mitglieder nach Südböhmen, eine zwar geographisch naheliegende, den meisten aber eher unbekannte europäische Nachbarregion

Vorbildlich organisiert und kundig geleitet von Traudl Zimmer (Assistenz Ehemann Georg) und charmant unterstützt von Dolmetscherin Božena Krohmer führte der erste Tag nach einer Fahrt durch den Bayerischen Wald ans Industriedenkmal Schwarzenbergkanal im Böhmerwald sowie ins Zisterzienserkloster Vyšší Brod (Hohenfurth) an der Moldau, einen der Höhepunkte der vierttägigen Exkursion.

Das 1259 gegründete mächtige Kloster (Peter Wok I. von Rosenberg), 1941 von den Nazi-Regenten geschlossen, danach von den Kommunisten dem Zahn der Zeit preisgegeben, wird seit 1990 gleichermaßen sorgfältig wie langfristig saniert und renoviert. Der mächtige Bau imponiert auch durch seine 70 000 Bände umfassende Klosterbibliothek. Dass die einst zahlreiche Schar der Zisterziensermönche inzwischen auf ein ergrautes Duo geschrumpft ist – ein Dritter studiert in Deutschland – dokumentiert den Wandel der Zeit ebenso eindrucksvoll wie die nur teilweise vom Staat zurückgegebenen und mit Sponsorengeldern restaurierten Bauten. Die noch im Staatsbesitz befindlichen Häuser bröckeln dagegen vor sich hin.

Ganz und gar nicht bröckelnd präsentierte sich dagegen das Ziel der Exkursion, Krumau (Český Krumlov), ein im Moldaubogen gelegenes Städtchen voll verwinkelter Gassen, gekrönt von einem gar monumentalen Schloss.

Eine Stadt, die mit dem Begriff böhmisches Rothenburg wohl nicht ganz unzutreffend beschrieben ist. "Und weil’s hier einfach schön ist", steht im Reiseführer, "ist das Städtchen nicht nur Unesco-Weltkulturerbe, sondern im Sommer auch gnadenlos überlaufen". Auf 13 000 Einwohner – von denen die meisten nicht im alten Kern leben, weil dieser Wirtshäusern, Hotels und Souvenirshops vorbehalten ist – kommen pro Saison 1,3 Millionen Touristen, die die pittoreske Kulisse betrachten und schaudernd den schaurigen historischen Geschichten lauschen.

Von weißgekleideten Gespenstern kündet die Vergangenheit und von einem meuchelnden Kaisersohn Don Julius d’Austria, offensichtlich eine Mischung aus nordkoreanischem Diktator und abgedrehtem Hardrockstar, der ebendort eine widerborstige Baderstochter gar grausam vom Leben zum Tod beförderte. So etwas packt alle, vor allem die überaus zahlreichen Besucher aus Fernost.

Höhepunkt der Schlossführung in Krumau war eine Führung durch das Schlosstheater, neben Schloss Drottingholm das älteste erhaltene Barocktheater der Welt und dank seiner ausgeklügelten Bühnen- und Kulissentechnik ein Meisterwerk barocker Bau-und Theaterkunst.

Ausflüge nach Budweis, Schloss Hluboká (Frauenberg) und Schloss Rožmberk (Rosenberg) rundeten die Reise durch ein Stück geschichtsträchtigen europäischen Herzlandes ab.

Die Sangeskundigen der Gruppe unterfütterten unter Leitung Rita Frischs im Zisterzienserkloster, in Krumau und Budweis die Exkursion musikalisch, wobei das Flötentrio Gertrud Pfeffer, Rita und Alfons Frisch ein besonderes Schmankerl ("Der Hirt von Krumau") beisteuerte.

Vier Tage bei ebenso guter Stimmung wie entgegen allen Prognosen gutem Wetter reichten nur unzulänglich, um die Spuren der Geschlechter der Rosenberger, Eggenberger (von denen die ortsansässige Brauerei kündet) und Schwarzenberger (heute noch politisch höchst aktiv) nachzuempfinden.

Doch die Zeit reichte allemal, um sicherzustellen, dass diese Kulturlandschaft im Herzen Europas keinem der Besucher mehr ein böhmisches Dorf sein wird.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 8808

Latest Images

Trending Articles