Leutkirch / sz - "Wir müssen was machen!" Erhard Bolender, seit zehn Jahren Biberbeauftragter des Landkreises Ravensburg, ist sich sicher: Dem Biber, der derzeit die Eschach im Ortsbereich von Urlau aufstaut, muss das Handwerk gelegt werden. Im Falle von starken Regenfällen nämlich bestünde sonst die Gefahr von Hochwasser – bis nach Leutkirch. Beim Regierungspräsidium Tübingen teilt man diese Meinung: "Wir gehen davon aus, dass wir den Damm in der kommenden Woche entfernen werden", sagt Ewald Faßnacht vom Landesbetrieb Gewässer im Regierungspräsidium Tübingen.
Der Landesbetrieb ist als ausführende Behörde zuständig für Gewässer erster Ordnung, zu denen auch die Eschach zählt. Die rechtliche Beurteilung wiederum ist Sache des Landratsamts als Untere Wasserbehörde. Nach Schätzungen des Umweltbeauftragten der Stadt Leutkirch, Michael Krumböck, leben "mindestens 20 Biberpaare" auf der hiesigen Gemarkung. Mit einer weiteren starken Zunahme rechnet er allerdings nicht: "Die guten Reviere sind alle belegt." In Urlau könnte es sich um ein Jungtier handeln, das versuche, irgendwo unterzukommen.
Von den Aktivitäten des streng geschützten Nagers jedenfalls zeigt sich Erhard Bolender beeindruckt: "Es ist schon ein größeres Bauwerk, das da in der Eschach entstanden ist." Innerhalb kürzester Zeit habe der Biber einen rund 80 Zentimeter hohen Damm errichtet, "mit Tendenz zu einem Meter". Fein säuberlich liegen Zweige und mehr oder minder dicke Äste aufgeschichtet im Fluss und stauen das Wasser auf.
"Was wir allerdings nicht gefunden haben", ergänzt der Biberexperte, "ist eine Burg". Also der Unterschlupf, den sich der Biber baut und den er immer schwimmend, sprich vom Wasser aus, erreichen will. "Wäre eine solche Überwinterungsstätte da, dann müsste das Regierungspräsidium einen Abbau des Damms genehmigen." Da aber im gesamten Staubereich kein Biberbau zu finden ist, gehen die Experten von einem Nahrungsdamm aus – und der dürfe mit Zustimmung des Landratsamts entfernt werden.
Dies empfiehlt Bolender auch – und zwar möglichst bald: "Eile ist geboten, damit sich der Biber noch eine neue Nahrungsquelle suchen kann." Die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere halten nämlich keinen Winterschlaf im eigentlichen Sinn, sondern pflegen vielmehr eine Winterruhe: "Sie machen es sich in ihrer unterirdischen Burg gemütlich und schwimmen ab und zu in ihr in der Nähe angelegtes Nahrungsdepot. Dort fressen sie sich satt und schlafen dann wieder", erklärt der Fachmann.
Insgesamt hat er in den vergangenen zehn Jahren eine deutliche Zunahme der Biberpopulation beobachtet. Und nicht nur das: "Angesichts der steigenden Zahlen macht sich Unmut vor allem bei den Landwirten breit." Besonders gefährlich: "Die Eschach ist ein Fluss in Dammlage", macht Ewald Faßnacht klar. Sie liegt also höher als die Umgebung, was nicht nur bei Hochwasser problematisch wird, sondern etwa auch bei Eisgang, wie Erhard Bolender hinzufügt. Kommt dann zu Eisteilen, die sich etwa unter Brücken verhaken, noch angeschwemmtes Material des Biberdamms hinzu, das den Flusslauf verstopft, "besteht Gefahr nicht nur für Urlau, sondern auch für Leutkirch".
Da gelte es dann abzuwägen zwischen dem Schutz des Bibers und des Menschen. Noch freilich genießt der gefräßige Nager den höchsten europäischen Schutz, "vergleichbar etwa mit dem des Steinadlers", wie Bolender sagt. Doch die wachsende Population des zwischenzeitlich nahezu ausgestorbenen Tiers zwingt zum Nachdenken. So fordert etwa die baden-württembergische CDU bereits seit einiger Zeit ein Bibermanagement, und in Bayern gibt es in Teilbereichen bereits Abschussgenehmigungen.
Einen solchen Handlungsdruck sieht Michael Krumböck für Leutkirch aktuell nicht – auch wenn in der Biber den Wintermonaten deutlichere Spuren hinterlässt: "Im Sommer merkt man kaum etwas, da frisst er frisches Grün. Im Winter aber nagt er Bäume an, um an Rinde und Äste zu gelangen."