Leutkirch / win - Sie kommen früher als gedacht: 21Flüchtlinge aus Gambia, zwei aus Kamerun und sieben aus Eritrea, die bereits am 3.September in Leutkirch untergebracht werden – in zwei Klassenzimmern der Landwirtschaftsschule. Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle wusste davon nichts. Erst im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung erfuhr er am Dienstag davon. Das ärgert ihn: „Ich finde die Informationspolitik des Landratsamts sehr schlecht.“
46Flüchtlinge hat der Landkreis Ravensburg diesen Monat bereits aufgenommen, 124 hatte das Regierungspräsidium Tübingen für den August insgesamt angekündigt. Weil man mit der Bereitstellung von Unterkünften aber derzeit nicht hinterherkommt, hatte man im Ravensburger Landratsamt um Aufschub gebeten.
Vergeblich: Seit Montag ist raus, dass man im Landkreis Ravensburg im August doch noch für weitere 78Flüchtlinge Sorge tragen muss. Noch in dieser Woche ziehen 18Gambier in ein Haus in Achberg ein; 17 Asylbewerber kommen in einem Gebäude des Stephanuswerks in Isny unter, in dem bereits jetzt 107Flüchtlinge leben. Dieses ist mit insgesamt 124 Flüchtlingen dann allerdings voll belegt, wie der Leiter des Kreissozialamts, Knut Immeke, deutlich macht. Weshalb Anfang September dann die Landwirtschaftsschule in Leutkirch gute zwei Wochen als Notunterkunft herhalten müsse: 30der 43 am 3. September im Landkreis erwarteten Asylbewerber werden voraussichtlich bis zum Schulstart Mitte September in den Klassenräumen nächtigen. Die restlichen 13 werden anderweitig untergebracht. Eine Familie mit fünf Personen kommt in der Leutkircher Sudetenstraße in Räumen, die der Landkreis angemietet hat, unter. Zwei weitere Familien, bestehend aus acht Personen, in einer Sammelunterkunft in Weingarten.
Fahrzeug mit Duschen
Verpflegt werden die Flüchtlinge in der Landwirtschaftsschule über die Zentralküche der Oberschwabenklinik, waschen können sie sich in den sanitären Anlagen der Schule. Zusätzlich steht dafür ein Fahrzeug mit Duschen bereit. „Sie haben Betten mit Matratzen und Tische für die Mahlzeiten“, sagt die stellvertretende Pressesprecherin des Landratsamts, Claudia Roßmann. Gegessen werde in einem Gemeinschaftsraum. Mehr gibt es in der Notunterkunft aber nicht. „Weil die Landwirtschaftsschule ein kreiseigenes Gebäude ist, greifen wir lieber darauf zurück, als Zeltstädte errichten zu müssen, denn das ist die allerletzte Lösung“, sagt Roßmann.
Auch Turnhallen seien als Notunterkünfte im Gespräch gewesen. „Aber es hätte zulange gedauert, diese für die Ankunft der Flüchtlinge vorzubereiten“, fährt sie fort. „Durch den Zeitdruck mussten schnelle Lösungen her.“
Von der Landwirtschaftsschule sollen die Flüchtlinge am 16. September in Container in der Memminger Straße ziehen. „Bisher sind wir im Zeitplan. Wir gehen fest davon aus, dass dieser Zeitpunkt eingehalten werden kann“, so Roßmann. Wenn nicht, könnten die Schüler der Landwirtschaftsschule vorübergehend Klassenräume in der Geschwister-Scholl-Schule beziehen. „Das haben wir alles abgeklärt“, sagt Roßmann.
Für den Notfall ein Provisorium
Nicht abgeklärt wurde hingegen die verfrühte Ankunft der Flüchtlinge mit Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle. Bis Dienstagvormittag wusste er von nichts. „Ich hatte am Freitag vor einer Woche ein Gespräch mit der Ersten Landesbeamtin Eva-Maria Meschenmoser“, sagt Henle. Damals wurde ihm gesagt, dass überlegt werde, für den Notfall ein Provisorium zu schaffen. Einige Tage später bekam Henle von Nachbarn mit, dass in der Landwirtschaftsschule umgebaut wurde.
„Ich habe dann Frau Meschenmoser angerufen“, so Henle weiter. Die Vertreterin des Landrats habe daraufhin einen Brief an ihn und Leutkircher Bürger aufgesetzt, in dem die Umstände erläutert wurden. Weitere Informationen erhielt Henle nicht – bis Dienstagvormittag im Gespräch mit der SZ und einem anschließenden Anruf von Meschenmoser selbst. Für die SZ war die Erste Landesbeamtin am Dienstag wegen Terminen nicht zu erreichen.
Am Donnerstag soll es Gespräche mit dem Landratsamt und dem Asylkreis geben. Auch der wurde bislang nicht über den neuen Ankunftstermin informiert. „Der Termin steht schon lange fest. Er wurde nicht kurzfristig festgelegt“, so der OB weiter. Themen wie generelle Zusammenarbeit, Unterstützung der Ehrenamtlichen und Vernetzung sollen dann diskutiert werden.
Unterdessen laufen bereits seit 18.August Umbaumaßnahmen in der Landwirtschaftsschule. Eine Trenntüre wurde eingebaut. „Wir waren so früh dran, um für den Notfall gewappnet zu sein“, sagt Roßmann. Immeke betont: „Wir wollten Notunterkünfte vermeiden – aber es geht nicht anders. Wir jonglieren momentan mit jedem Platz.“
Weitere 85 Asylbewerber
Für den Monat September wurden dem Landkreis Ravensburg bereits weitere 85 Asylbewerber angekündigt. Bis Ende Juli hatte er 621 neue Flüchtlinge aufgenommen – bis Ende des Jahres werden es wohl an die 1000 werden, schätzt der Kreissozialamtschef.
Er ist froh, dass die Kommunen das Problem erkannt haben, kooperativ mitziehen und entsprechende Flächen anbieten. Städte und Gemeinden stoßen, wie Immeke weiß, freilich bald selbst an ihre Grenzen, was ausreichend Immobilien angeht: Denn überstellt das Land die Flüchtlinge zunächst an die Landkreise, sind nach 24Monaten Verweildauer oder sobald ein Asylverfahren rechtskräftig ist, die Kommunen verpflichtet, die sogenannte Anschlussunterbringung der Flüchtlinge sicherzustellen.
Immeke erinnert sich: Vor 20 Jahren lebten nicht wie aktuell rund 1500, sondern 2500 Asylbewerber im Kreis. Damals flohen die Menschen vor allem vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. 2013 hingegen hatte der Landkreis Ravensburg „nur“ 388 Asylsuchende aufgenommen.