Leutkirch / sz - Ihr Lächeln bezaubert noch immer. Und doch: Aus dem einstigen "Glamourgirl from Switzerland", der erfolgreichen Schweizer Skirennläuferin, der auch im Film- und Showbusiness alle Türen offen standen, ist eine lebenskluge und geerdete Frau geworden. Eine, die durch Höhen und Tiefen gegangen und an den Herausforderungen und Sorgen ihres Lebens gewachsen ist. Maria Walliser, dreifache Weltmeisterin und Mutter einer Tochter mit Behinderung, hat am Montagabend beim 163. Talk im Bock (TiB) die vielen Zuhörer tief beeindruckt.
Natürlich dreht sich zunächst einmal alles ums Tempo. Maria Walliser, "der erste ausländische Gast beim Talk im Bock", wie Moderator Raimund Haser feststellt, räumt ganz offen ein, gern schnell im Auto unterwegs zu sein – speziell auf deutschen Autobahnen. Schnell war die Schweizerin aber vor allen Dingen auf Skiern: dreimal Weltmeisterin in der Abfahrt und im Super-G, zweifache Gesamtweltcupsiegerin und nicht weniger als 25 Siege bei Weltcuprennen in ihrer siebenjährigen Laufbahn von 1983 bis 1990. Das alles unter anderen Bedingungen als heute: Noch gab es keine Carving-Skier, noch war der Kunstschnee eher gefährlich. Nette Überraschung: Zum Talk im Bock eingeladen war auch Karin Dedler aus Dietmannsried, die bei Wallisers WM-Abfahrtssieg in Vail/Colorado 1989 die Bronzemedaille gewonnen hatte. Eine spontane Umarmung und ein Erinnerungsfoto am Schluss durften da nicht fehlen.
Eloquent, unterhaltsam und charmant erzählt die knapp 52-Jährige von ihrer Karriere, die am gemeindeeigenen Skilift begonnen hatte, daheim in Mosnang im Kanton St. Gallen. Die Talstation lag direkt neben dem Bauernhof der Eltern, "ich durfte da die Liftkarten abknipsen". Die ersten Rennen fuhr sie mit zehn Jahren, mit 17 startete sie im Weltcup, mit den ersten Siegen kam der Glamour-Faktor, Kameras und Mikrofone suchten die hübsche Schweizerin, Werbeangebote folgten. "Immer von den Medien verfolgt" sei sie gewesen, selbst Hollywood war ein Thema – für die Zeit nach der aktiven Karriere.
"Ich hatte das Karriereende gut vorbereitet", sagt Maria Walliser. Doch dann kam alles anders. Schneller als geplant wurde sie schwanger und erfuhr fünf Wochen vor der Geburt, dass ihr Kind mit der unheilbaren Krankheit Spina bifida, dem offenen Rücken, zur Welt kommen würde. "Alles geschafft, all diese Erfolge – und dann ein behindertes Kind?" fragt Raimund Haser. "Ja, und auch das geschafft, das Annehmen." Maria Walliser beeindruckt, wenn sie von der Stärke spricht, die sie ihrer heute 24-jährigen Tochter mitgeben konnte, von der Kraft und dem Willen, die Siri auszeichnen. "Wir sagen nicht Behinderung", stellt sie klar, "sondern: Sie hat ganz viele Spezialitäten." Natürlich muss sie "ein bisschen tougher" sein, um ihr Leben im Rollstuhl zu meistern, ein speziell umgebautes Auto zu fahren oder um ihr Jurastudium abzuschließen. "Sie kann ja nicht flüchten."
Oftmals wunderten sich Menschen, die Siri sehen, "wie kann man so zufrieden und fröhlich sein, wenn man keinen Schritt gehen kann?" Maria Walliser nennt es "Glück, dass sie da ist, dass sie bei uns ist." Ihr Kind als Geschenk anzuschauen, sich kämpferisch für Siri einzusetzen – ihre Vorgeschichte als Sportlerin hat ihr geholfen, diese Stärke zu entwickeln, ist Maria Walliser überzeugt. Und setzt ihr Engagement fort: Weil mittlerweile bekannt sei, dass Spina bifida durch einen Mangel an Folsäure während der Schwangerschaft verursacht werde, setzt sie sich seit dem Jahr 2000 als Präsidentin für die Stiftung Folsäure Offensive Schweiz ein. Das Vitamin, macht sie im Leutkircher Bocksaal klar, ist zuständig für die Zellteilung. Wenn es während der Schwangerschaft fehlt, können Nervenbahnen austreten und sogenannte Neuralrohrdefekte wie der offene Rücken entstehen. Aber auch bei die Entwicklung einer Demenz, warnt Walliser, könne Folsäuremangel eine Rolle spielen. "80 Länder der Erde reichern ihr Mehl mit Folsäure an", rechnet sie vor. "Europa allerdings ist ein weißer Fleck auf dieser Karte." Grund genug, weiter Aufklärungsarbeit zu leisten.
Dass Maria Walliser sich außerdem für die SOS-Kinderdörfer einsetzt, in der Ronald-McDonald-Kinderstiftung aktiv ist und die Fit-for-Future-Bewegung unterstützt, dass sie Golf spielt und seit Jahrzehnten auf Joga schwört – all dies sind weitere Mosaiksteinchen im Bild einer imponierenden Persönlichkeit. Und, auch das erzählt sie voller Schwung: Die immer noch leidenschaftliche Skifahrerin ist unter die Winzer gegangen – "eine Arbeit, die erdet". In ihrer Wahlheimat Malans im Bündnerland hat sie 150 Stöcke gepflanzt und freut sich: "Seitdem habe ich meinen eigenen Wein." Einen Cabernet Jura, wie sie hinzufügt, "eine unempfindliche Sorte, biologisch angebaut." Wer wollte, konnte anschließend gleich eine signierte Flasche erwerben – natürlich zugunsten der Stiftung Folsäure.
Die Saalspende am Montagabend erbrachte 723 Euro und geht an die Stiftung Folsäure Offensive Schweiz.