Leutkirch / sz - Seit Freitag herrscht Klarheit. Der Tourismuskonzern "Pierre et Vacances" wird über seine Tochter "Center Parcs" 255 Millionen Euro in den geplanten Ferienpark auf dem Gelände des früheren Munitionsdepots in Urlau investieren. Immer daran geglaubt hat der Leutkircher Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle. Über die neue Lage hat SZ-Redakteur Herbert Beck mit ihm gesprochen.
Wann war klar, dass ein "Center Parcs" tatsächlich nach Urlau kommt?
Die für uns erfreuliche Entwicklung hat sich in den vergangenen Wochen Schritt für Schritt abgezeichnet. Ein wichtiger Tag war der Freitag, der 13.November, ausgerechnet jener Tag, an dem die schlimme terroristische Anschlagsserie in Paris stattfand. Davon habe ich an diesem Abend aber gar nichts mitbekommen, obwohl ich andauernd in Kontakt mit Center Parcs in Paris stand. Auch unsere Partner von Center Parcs wussten davon nichts. Bis 23 Uhr liefen erfolgreiche Verhandlungen in Paris. Ich nahm in dieser Zeit an den Feierlichkeiten des Umweltkreises zum 25-jährigen Bestehen teil und beantwortete parallel letzte Fragen über das Handy. Ich war dann sehr geschockt, als ich gegen 23 Uhr im Fernsehen die schlimmen Nachrichten erfahren habe. Ich habe noch in der Nacht Center-Parcs-Direktor Frederic Durousseau meine Anteilnahme ausgedrückt.
Wie hat dieser reagiert?
Er zeigte sich ebenfalls sehr betroffen und hat mir geantwortet, dass es bald bessere Nachrichten aus Paris für die Menschen in Leutkirch geben werde. Das hat sich ja dann Stück für Stück bewahrheitet.
Was war noch zu klären?
Es ging vor allem um rechtliche Fragen zum Bebauungsplan und zur Baugenehmigung. In Deutschland und Frankreich gelten da ja ganz andere Verfahrensabläufe.
Wann war dann alles in trockenen Tüchern?
Am Donnerstag, 26. November, haben Eurosic und Center Parcs in Paris offiziell bekannt gegeben, dass die Finanzierung steht. Ich war darüber bestens informiert, durfte es aber noch niemandem sagen. Mich hat es fast zerrissen, als ich unseren Weihnachtsmarkt eröffnet habe, denn ich hätte da ja gerne die frohe Botschaft verkündet. So habe ich mich darauf beschränken müssen, für unser Jubiläumsjahr pauschal positive Nachrichten anzukündigen.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden uns am 10. Dezember mit den Fachleuten aus der Verwaltung, den Architekten und Fachplanern sowie den Verantwortlichen von Center Parcs in Leutkirch treffen und klären, wie wir sehr schnell die nötigen Genehmigungen erhalten können. Wir müssen dabei einen realistischen Fahrplan für die einzelnen Schritte erstellen. So müssen wir zum Beispiel Ausgleichsmaßnahmen auf den Weg bringen. Es gibt Vorverträge über rund 50 Hektar an Ersatzaufforstungsflächen. Wir müssen wasserrechtliche Vorgaben abklären. Wir haben uns verpflichtet, im Stadtwald Artenschutzmaßnahmen umzusetzen. Ein wichtiges Thema ist die Kampfmittelräumung, die im Frühjahr anstehen wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass bis Herbst 2016 die Baugenehmigung vorliegt. Wir müssen das Projekt jetzt sauber auf die Schiene setzen.
Ist der Eröffnungstermin Ende 2018 realistisch?
Wenn alles so läuft, wie gerade skizziert, ist er zu schaffen.
255 Millionen Euro an Investitionen sind ein dicker Brocken. Welche Erwartungen haben Sie, was davon direkt in der Region an Aufträgen, an Arbeitsplätzen hängen bleiben wird?
Bei so einer Investitionssumme wird es eine europaweite Ausschreibung geben müssen. Aber die Erfahrungen zeigen, dass bei vielen Arbeitsschritten regionale Unternehmen mit einbezogen werden. Wichtig ist zudem später auch der Unterhalt.
Wie wird sich der Ferienpark auf den Arbeitsmarkt auswirken?
Während der Bauphase rechnet man mit 500 bis 900 Arbeitsplätzen. Ab der Inbetriebnahme wird es dauerhaft bis zu 800 Arbeitsplätze geben, das sind dann umgerechnet 450 Vollzeitarbeitsplätze. Vorteilhaft ist, dass neben vielen Plätzen für hochqualifizierte Aufgaben auch Arbeitsplätze entstehen werden, für die eine einfache Qualifikation ausreicht. Das ist für uns ganz wichtig, weil es in diesem Bereich schon bisher schwierig war, für die Menschen Beschäftigung zu finden. Auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingsproblematik ist diese Perspektive sehr wichtig.
Welche Chancen bieten sich nach der Eröffnung für regionale Betriebe?
Es ist davon auszugehen, dass sich dies sehr positiv für unsere Beherbergungsbetriebe und die Gastronomie auswirken wird und auch der Einzelhandel davon enorm profitieren kann. Wir haben vereinbart, dass wir regionale Produkte im Park verkaufen können, das ist eine Chance für die Landwirtschaft. Center Parcs wird auch Kooperationen eingehen und zum Beispiel die Benutzung der Bade- und Wellnesslandschaft anbieten. Wir haben ja auch für die Bürger aus Leutkirch und Altusried verbilligte Eintrittspreise vertraglich vereinbart. Wir bekommen jetzt ein Spaß- und Freizeitbad, ohne dass es die Kommune etwas kostet.
Wo muss die Stadt bei der Infrastruktur nachlegen?
Es geht um Themen wie Radwegebau, Wanderwege, Freizeiteinrichtungen, Parkplätze und die Anbindung des Parks an den ÖPNV. Wir möchten möglichst viele Menschen sehr effizient in die Stadt leiten. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, um auch diese Diskussion ganzheitlich anzugehen. Jetzt greift ein Rädchen in das nächste.
Die Freude ist jetzt groß. Aber gab es auch Pläne für den Fall eines Scheiterns?
Natürlich haben wir uns auch darüber Gedanken gemacht. Da gab es durchaus auch andere Optionen. Man hätte auf dem Areal 150 Hektar Stadtwald und 30 Hektar fast fertige Gewerbeflächen ausweisen können. Die Nutzung als Ferienpark ist aber insgesamt die verträglichste Lösung. Sie bietet uns sehr große Chancen für die Entwicklung unserer Stadt. Und es ist eine Zukunftslösung, hinter der über 95 Prozent der Menschen in Leutkirch stehen, also ein echtes Bürgerprojekt.