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Leutkircher Freund und Helfer

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Leutkirch / sz - Als "Erster Polizeihauptkommissar", erkennbar an fünf Sternen auf der Schulterklappe, wird Anton Kempter demnächst nicht mehr die acht Stufen zum Eingang des Leutkircher Polizeireviers zurücklegen. Der Chef geht in den Ruhestand. Am 17. Dezember wird er offiziell verabschiedet, tags darauf geht es ans letzte Aufräumen. Es ist aber zu vermuten, dass Anton Kempter nach 21 Jahren an der Spitze der Leutkircher Polizei, die auch für Bad Wurzach, Aichstetten und Aitrach verantwortlich ist, noch das eine oder andere Mal an seiner alten Wirkungsstätte vorbeischauen wird.

Wer ist Anton Kempter? Für welchen Kurs steht er? Die biografischen Daten sind schnell erzählt. Im Januar 2016 wird der Mann, der in Leutkirch zur Welt gekommen und in Tautenhofen aufgewachsen ist, 61Jahre alt. Ein waschechter Allgäuer also hat als Leutkircher Polizeichef seiner Behörde den Stempel aufgedrückt, und das macht Anton Kempter stolz, er spricht sogar von "Ehre".

Das mit seinem eigenen Kurs, den er verfolgt hat, ist eine längere Geschichte, in der Begriffe wie "problemlösungsorientiert" oder "Gratwanderung" zwischen dem, was nach Recht und Gesetz erlaubt, und dem, was nach Recht und Gesetz zu dulden sei, im Vordergrund stehen. Anton Kempter wäre nie in den Sinn gekommen, zusammen mit seinem Team beide Augen ganz fest und sehr früh beim Verdacht auf Übergriffe zu verschließen. Nur polizeitaktisch, er spricht dann auch über den "Geschäftsverteilungsplan", wollte er Konflikte auch nicht lösen. So abgedroschen der Begriff auch sein mag, im Gespräch mit der "Schwäbischen Zeitung" sinniert Anton Kempter auch darüber, wie die Polizei als "Freund und Helfer" noch besser wahrgenommen werden kann.

Anton Kempter geht es demnach um mehr als nur darum, Gesetzesverstöße zu ahnden oder der Bürgerschaft ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Das lässt sich besonders leicht festmachen an seinem Integrationsprojekt "Nashdom", mit dem er vorübergehend vom Jahr 2000 an weit über Leutkirch hinaus Akzente setzte. Die Bestandsaufnahme lautet so: Jugendliche Spätaussiedler sind nächtens regelmäßig laut. Sie trinken in Tiefgaragen zu viel Wodka. Sie pöbeln. "Platzverweise, Ermahnungen, wir haben klassisch reagiert", sagt Kempter. Irgendwann aber wurde es ihm zu bunt, als er die Einsatzberichte seiner Dienststelle las.

Anton Kempter fragte nach den Ursachen, "ich kam mit den jungen Menschen ins Gespräch", und er hörte viel davon, dass es an Treffpunkten fehle. An Identifikation mit der neuen Heimat. "Später habe ich auch zur Elterngeneration der Spätaussiedler Kontakt bekommen." Da war, dank der Initiative des in der Stadt gut vernetzten Polizeichefs, dank der Bereitschaft der Jugendlichen und dank der Unterstützung von Förderern "Nashdom" entstanden. Ein spezieller Jugendtreff in einem alten Gebäude, fast in Sichtweite des Polizeireviers. Dieses verwaltete sogar die Schlüssel zu der Immobilie, die nicht mehr steht. "Ruhe war in der Stadt", sagt Anton Kempter eher still. Weniger Arbeit für das Revier inklusive. Zumindest an dieser Problemstellung.

Führer der "Alarmhundertschaft"

Einen "Tornister an Erfahrungen" habe er gesammelt. Anton Kempter kann einen Teil davon noch einsetzen, weil er auch in Zukunft als Dozent an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie des Landes Vorlesungen halten wird. Spezialthema ist dann die Schulung des Geschwindigkeitsüberwachungspersonals. Vorerst wird er zudem als Referent für Rettungsdienste wie Feuerwehr und Rotes Kreuz seine Erfahrungen über Einsatzfahrten vermitteln. Komplett aus dem Dienst wird er demnach nicht ausscheiden.

Schließlich hat Anton Kempter, weit über Leutkirch hinaus, Erfahrungen gesammelt als Führer der "Alarmhundertschaft", die in besonders brenzligen Situationen aktiviert worden ist. So erinnert er sich an viele Einsätze im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21, an Sicherungsmaßanhmen für Castor-Atommüll-Transporte, an Demonstrationen im politisch schwierigen Spektrum. Rechts gegen Links. Kurden. Auch an Einsätze bei großen Fußballspielen mit gewaltbereiten Anhängern. So unterschiedlich die Ausgangslagen waren, eines bemägnelt Anton Kempter kurz vor seinem Ruhestand. Der Ton habe sich verschärft. "Gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen müssen sich Dinge anhören, die nicht in Ordnung sind." Beleidigungen. Im schlimmeren Fall erleiden sie körperliche Schäden.

Am Donnerstag wird in Leutkirch auch Ekkehard Falk, der Leiter des Polizeipräsidiums Konstanz, zu dem die Dienststelle Leutkirch mittlerweile zählt, Anton Kempter für dessen Einsatz danken. Der, so die Selbsteinschätzung, bisweilen auch ungeduldige Leutkircher Polizeichef freut sich gleichwohl auf die Zeit nach dem Dienst. Die BMW 1100 RS will er mehr bewegen. Anton Kempter, der Handwerkersohn, will sich häufiger in seine Werkstatt stellen. Die noch gültige Gleitschirmfliegerlizenz will er ausnützen.

Auch am Tag seines Abschieds aber wird Anton Kempter nicht wissen, wer ihn als Revierleiter ablösen wird. Die Stelle ist noch nicht einmal ausgeschrieben. Aber das ist eine andere Geschichte.


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