Leutkirch / sz - Ursula Maucher liebt Blumen. Immer, wenn sie Zeit dafür hat, werkelt sie in ihrem Garten. Ein Hobby, das als Ausgleich dient. Als Gegenpol zu ihrer Arbeit im Tafelladen. Seit 2006 leitet sie die Einrichtung.
Eine Anzeige in der Zeitung war es, die sie dazu brachte. Nachdem Maucher 44 Jahre lang als Grundschullehrerin am Oberen Graben tätig war, wollte sie in ihrem Ruhestand etwas sinnvolles machen. "Als Lehrerin hatte ich mit vielen armen Kindern und Familien zu tun. Ich habe oft mitbekommen, dass sie sich keinen Schulausflug oder nicht mal Stifte leisten konnten", erinnert sich die 75-Jährige. Bereits privat habe sie damals viel investiert.
Als der Aufruf in der Zeitung stand, man wolle in Leutkirch eine Tafel eröffnen, besuchte Maucher die erste Infoveranstaltung im katholischen Gemeindehaus. "Danach habe ich gedacht, das ist das Richtige", erzählt sie. Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln habe sie schon immer gereizt. "Ich bin ein Kriegskind", erzählt Maucher. So haben ihre Eltern keine zehn Gramm Nudeln weggeworfen, aus Apfelresten wurde oftmals Kompott gemacht. "Wenn ich sehe, was heutzutage alles weggeschmissen wird, finde ich das schade", sagt sie.
Gebrauchte Regale aus einem geschlossenen Supermarkt
Maucher wollte helfen. Und tut es heute noch. Seit die Leutkircher Tafel am 30. Mai 2006 in der Gerbergasse eröffnet hatte, steht Maucher hinter der Verkaufstheke. "Ich bin vom ersten Tag an dabei", sagt sie stolz. 27Kunden kamen damals vorbei, mittlerweile wurden etwa 170 Ausweise ausgestellt, die zum Einkauf in der Tafel berechtigen. 15 Helfer, Fahrer und Ladenmitarbeiter, starteten 2006, nun sind es 58. "Wir suchen aber immer Leute", fährt Maucher fort. Nachdem der Tafelladen anfangs in der Leutkircher Gerbergasse untergebracht war, zog er im November in die Isnyer Straße 5/1 um.
"Der Platz wurde knapp", sagt Maucher. Sie erinnere sich noch gut an die Anfänge. Ein Raum musste gesucht, Mitarbeiter gefunden werden. "Weil wir so wenig Geld wie möglich ausgeben wollten, bekamen wir gebrauchte Regale von einem Supermarkt in Lindenberg, der geschlossen wurde", so Maucher weiter. Eine alte Ladenkasse und eine Kühltheke wurden ebenfalls gebraucht übernommen. "Alles war zusammengestupft", sagt Maucher. Die Leutkircher Tafel war damals die erste in der Region. Die nächste gab es in Ravensburg. Später kamen die Tafeln in Wangen, Isny und Bad Wurzach dazu. "Diese drei Tafeln und die Leutkircher Tafel gehören zusammen", sagt Maucher. So kümmere sich das DRK Isny um die Buchführung, die Caritas in Wangen übernehme die Logistik.
Wichtig für alle: Lebensmittelläden. "Die Tafel existiert nur mit gespendeten Waren", erklärt Maucher. Discounter, Supermärkte, Bäckereien, Metzgereien – alle müssen zum Spenden animiert werden. "Mittlerweile haben wir ein eigenes Logistikteam", so Maucher weiter. "Am Anfang hatten wir etwas Obst, etwas Gemüse und Brot. Ein Joghurt zum Beispiel gab es vielleicht einmal im Jahr." Heute sieht das anders aus.
Milch- und Tiefkühlprodukte gehören ebenso zum Sortiment wie Tierfutter und Hygieneartikel. "Wir wissen aber nie, was wir bekommen. Das ist immer eine Überraschung", sagt Maucher. Denn von den Supermärkten werde aussortiert, was kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sei. "Uns das sind immer andere Produkte." Lebensmittel, die abgelaufen sind, werden im Tafelladen nicht mehr verkauft, aber verschenkt.
Geöffnet ist die Leutkircher Tafel zweimal wöchentlich, dienstags und donnerstags. Maucher, die von Beginn an Stellvertreterin des Ladenteams war, übernahm die Leitung im Mai 2010. Die Kunden wurden immer mehr. Und damit die Aufgaben. "Meine Hauptaufgabe am Dienstagmorgen ist das Mindesthaltbarkeitsdatum zu kontrollieren", sagt Maucher. Danach werden die Waren mit Preisen versehen und in die Regale eingeräumt. Aber auch Entscheidungen müsse sie treffen, zum Beispiel, ob Waren von Firmen angenommen werden können. Zudem werden Dienstpläne erstellt, Fahrer wegen des Transports informiert und die Verteilung mit Wangen und Isny abgesprochen.
Viel Arbeit, die Maucher gerne macht. Und auch wenn sie schon von Kunden beschimpft worden sei, "die meisten sind sehr dankbar", sagt sie. Bis zu 90 Leute kommen an einem Tag. "Langsam stoßen wir aber an unsere Grenzen", fährt Maucher fort. Denn auch immer mehr Flüchtlinge seien auf den Tafelladen angewiesen. Etwa 18 Stunden opfert die 75-Jährige wöchentlich für die Leutkircher Tafel. Immer dienstags steht sie den ganzen Tag im Tafelladen hinter der Theke. "Ich bin da irgendwie so reingeschlittert", sagt Maucher und lacht. Ans Aufhören denke sie noch lange nicht. "Ich habe die Arbeit noch nie bereut", sagt Maucher. Im Gegenteil, sie freue sich, wenn sie Leuten helfen kann.
Neben der Tafel engagiert sich Maucher im Kinderfestausschuss. "Das sind ein paar Sitzungen im Jahr, das geht." Die Zeit müsse nur richtig eingeteilt werden. "Aber das planen war ich immer schon gewohnt. Organisation ist ein Steckenpferd von mir", sagt Maucher. Im kommenden Jahr wird die Leutkircher Tafel zehn Jahre alt. Zehn Jahre, die Ursula Maucher, mit viel Engagement begleitet hat.
Ein Video zur Arbeit im Leutkircher Tafelladen gibt es im Internet unter
www.schwaebische.de/leutkirch