Leutkirch / sz - Die Käferstrategie ist ausgearbeitet, gebraucht wurde sie aber nicht. Weil die vergangenen Monate verregnet waren, hatte der Borkenkäfer keine Chance. „Der Winter und das Frühjahr waren sehr trocken, der März und der April sehr warm, dadurch hatten wir Angst vor dem Insekt“, sagt Gerhard Schnitzler vom Kreisforstamt in Ravensburg.
Unbegründet, wie sich nun zeigt. Denn die Entwicklung der Eier bis zum voll entwickelten Käfer hänge stark von den Temperaturen ab. Schnitzler zeigt auf eine Baumrinde. „Das ist die zweite Generation der Insekten“, sagt er. Manchmal gebe es auch eine dritte. Am häufigsten komme der Buchdrucker, eine Art des Borkenkäfers, in der Region vor.
Und dieser ist gefährlich. Von einem Borkenkäferweibchen gibt es etwa 80 Nachkommen, diese wiederum pflanzen sich weiter fort. „Dann haben wir schon 6400“, sagt Schnitzler. Bei kühler Witterung dauere die Vermehrung länger. „Deshalb wird es dieses Jahr keine dritte Generation geben“, so der Förster. Er erklärt, je besser es einem Baum geht, desto geringer ist der Käferbefall. Hauptbetroffen seien die Fichten.
Immer im Sommer seien Revierleiter und Forstamtsmitarbeiter unterwegs, um die Bäume auf Borkenkäferbefall zu kontrollieren. Werden die Insekten entdeckt, wird der Baum gefällt. „Diese Bäume werden als Käferholz verkauft. Das ist billiger als Frischholz“, so der Fachmann. Es deute alles darauf hin, dass es in diesem Jahr weniger Käferholz als im vergangenen geben wird.
Große Hitze ist nicht gut
„Dieser Sommer war erfolgreich für den Wald, aber schlecht für den Borkenkäfer.“ Denn viel Niederschlag bei gemäßigten Temperaturen tue dem Wald gut. Große Hitze hingegen nicht. Das sehe man auch am Wachstum und an der sattgrünen Farbe. Probleme bereite die Nässe den Holzrückern. „Die Holzwerke sind darauf angewiesen, dass sie mit Rundholz versorgt werden“, sagt Schnitzler. Die feuchten Böden seien aber nicht gut für die schweren Holzrückmaschinen. Die Hauptbaumart in der Region ist seit mehreren hundert Jahren die Fichte. Ihre Vorteile: sie wächst schnell, gerade und symmetrisch. Aber mit zunehmenden Stürmen und der Borkenkäferplage wurde klar, die Fichte ist ebenfalls ein riskanter Baum. Schnitzler vergleicht: „Momentan liegt der Preis für gutes Fichtenholz bei etwa 100 Euro. 2004/2005 lag er bei etwa 40 Euro, da damals das Überangebot an Käferholz zu einem Preisabfall führte.“
Die Fichte leidet
Durch Baumhöhen der Fichte von 40 bis 45 Metern ist sie bei Stürmen ebenfalls stark gefährdet. Auch die Klimaerwärmung schade dem Baum. „Die Fichte leidet und verschwindet Zug um Zug aus den wärmeren Regionen mehr in wärmere Lagen zurück“, sagt Schnitzler. Der Borkenkäfer hingegen profitiere von der Klimaerwärmung. „Und der Trend geht zu heißen, trockenen Phasen.“
Um den Problemen vorzubeugen und die Fichte weiterhin erhalten zu können, wurde eine Strategie entwickelt. „Mittlerweile werden Weißtannen gepflanzt“, sagt Schnitzler. Die Wuchsart unterscheide sich kaum von der Fichte. Sie sei stabiler im Hinblick auf Stürme und komme besser mit trockenen Phasen klar.
Doch damit sich die Weißtannen richtig entwickeln können, müsse auch die Rehwilddichte stimmen. „Deshalb werden die Jäger miteinbezogen.“ Außerdem werden Buchen in den Wald integriert. „Weil sie ihre Blätter im Winter abwerfen sind sie gut für den Bodenorganismus und begünstigen andere Baumarten“, so der Förster.
Für den Wald sei es gut, wenn sich kleine Gruppen von verschiedenen Baumarten abwechseln – ein Bestand von hohen, niedrigen, alten und jungen Bäumen. „Denn wenn alle Fichten gleich hoch sind, ist die Gefahr da, dass alle geleichzeitig umfallen“, so Schnitzler. „Wenn zum Beispiel der Buchdrucker kommt, wird er sich auf die Fichten konzentrieren, die anderen Bäume bleiben aber stehen, und wenn ein Sturm kommt fliegen nur die höchsten Fichten um“, sagt Schnitzler. Man verspreche sich von einem Mischwald weniger Schadensausmaße und hat die Chance auf ausreichend Naturverjüngung. Seit 30 Jahren werde das Konzept der naturnahem Waldwirtschaft verfolgt.
Alle zehn Jahre gibt es im Rahmen der Forsteinrichtung eine Bestandsaufnahme. Es wird geschaut, welche Bäume auf welchen Flächen gepflanzt werden. Dabei sei die Standortkarte ein wichtiges Arbeitsmittel. Sie zeigt, welche Bäume auf welche Flächen passen. Denn verschiedene Baumarten haben unterschiedliche Ansprüche. So bekommen Fichten beispielsweise auf wechselfeuchtem massive Probleme. Weißtannen oder Eichen kommen damit wesentlich besser klar.
„Ein Mischwald ist ökologisch wertvoller, weil mehr Lebewesen dort Unterschlupf finden“, erklärt Schnitzler. Auch für Waldbesucher sei ein Mischwald angenehmer als ein dunkler Fichtenwald.
Der häufigste Laubbaum im Allgäu ist die Esche. „Sie ist ein Allzweckbaum und kommt mit vielem klar“, sagt Schnitzler. Außer mit einem schlimmen, bestimmten Pilz, der derzeit für ein flächenhaftes Eschentriebsterben zuständig ist. „Weil die Äste abfallen müssen die Bäume bei starkem Befall aus Sicherheitsgründen umgemacht werden“, so der Förster weiter.
Pilz befällt junge Blätter
Man hoffe zwar, dass einzelne Eschen erhalten bleiben, dennoch sei man relativ pessimistisch was die Baumart Esche anbelangt. „Es ist unklar, ob sie sich weiter durchsetzen kann“, sagt Schitzler. Der Pilz sei europaweit, flächendeckend vorhanden. „Er befällt die jungen Blätter. Von dort aus dringt der Pilz in die Stängel und das Holz ein und bringt den Baum zum absterben“, sagt Schnitzler.
Es gebe Flächen mit jungen Eschen, die in den vergangenen zwei, drei Jahren komplett abgestorben sind. „Derzeit werden deshalb keine Eschen mehr gepflanzt.“ Auch die Ulme sei vor ein paar Jahren durch einen Pilzbefall von der Bildfläche verschwunden. „Aber das ist der Vorteil eines Mischwalds, so etwas fällt dort weniger auf“, sagt Schnitzler. Er betont: „Die größte Gefahr für einen Wald ist, wenn man ihn nicht pflegt.“