Leutkirch / sz - Ebrima Nyang möchte KFZ-Mechatroniker werden. Ein Ziel, für das der 19-Jährige täglich die Schulbank drückt. Seit April besucht er das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) an der Geschwister-Scholl-Schule. Ein Angebot, das vor allem jungen Asylbewerbern helfen soll.
Weil die Schule bei der Integration von Flüchtlingen mithelfen wollte, kämpfte Schulleiterin Beate Zabler wochenlang für die neue Schulklasse. "Wir hatten das VABO bereits vor Jahren schon einmal, als eine Welle von Russlanddeutschen zu uns kam", sagt Gabriele Kallenbach-Blasen, die stellvertretende Schulleiterin. Nachdem das Kultusministerium weder ein Nein noch ein Ja zum Vorhaben verlauten ließ, starteten Schulleitung und Lehrer den mutigen Versuch, spontan, mitten im Schuljahr, das neue Angebot zu testen. Mit Erfolg. "Viele Kollegen meldeten sich freiwillig und wollten helfen. Das war unser Glück", so Kallenbach-Blasen weiter.
Schule bietet geschützten Raum
Denn in einer Flüchtlingsklasse spiele die Beziehungsebene eine sehr wichtige Rolle. "Das können nur Kollegen machen, die das wirklich wollen", sagt die stellvertretende Schulleiterin. 14Asylbewerber besuchen derzeit das VABO. Wie Nyang kommen viele aus Gambia. Andere aus Mazedonien, Bosnien oder Äthiopien. "Die jungen Leute haben oftmals mehr als zwei Jahre Flucht hinter sich. Sie leben zum Teil ohne Eltern und Angehörige hier", sagt Kallenbach-Blasen. Deshalb biete die Schule für viele auch einen geschützten Raum. "Die Schüler haben ein eigenes Klassenzimmer und eine Klassenlehrerin", fährt Kallenbach-Blasen fort. Es gelte das Klassenlehrerprinzip. Heißt: Weniger Lehrer, die aber viele Lehrerstunden haben. "So können die Schüler eine Beziehung aufbauen", ergänzt Fachabteilungsleiter Heinz Brünz.
Er betont: "Wir müssen den jungen Flüchtlingen die Chance geben, sich hier integrieren zu können." Die Vermittlung der deutschen Sprache steht dabei im Vordergrund – in jedem Fach. Egal ob Mathe, Sport, Computer oder Gemeinschaftskunde – der Unterricht erfolgt in Deutsch. "Wir behandeln diese Schüler so wie alle anderen auch", sagt Kallenbach-Blasen. Neben ihrem Schulprofil im gewerblichen oder hauswirtschaftlichen Bereich haben die Flüchtlinge einen normalen Stundenplan. "Die Schüler sollen für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Dafür brauchen sie die Sprache, aber auch die Praxis", so die stellvertretende Schulleiterin.
Im kommenden Schuljahr wird das Angebot fortgesetzt. Ein Jahr lang besuchen die Schüler normalerweise das VABO. Am Ende folgt ein Deutschtest. Einen Schulabschluss erhalten die Flüchtlinge danach aber nicht. "Wenn sie gut genug Deutsch sprechen, können sie weiter machen und den Haupt- oder Realschulabschluss erwerben", erklärt Claudia Till-Burbulla. Sie unterrichtet Deutsch und Englisch beim VABO. Das neue Schulangebot soll hauptsächlich für minderjährige Flüchtlinge sein. "Ist noch Platz, dürfen auch ältere, bis 21 Jahre, zu uns kommen", sagt Brünz. Für 18 Schüler sei das Angebot ausgelegt.
Neben Leutkirch zählen Isny, Bad Wurzach, Aitrach und Aichstetten zum Einzugsgebiet. Auch in Wangen werde es im kommenden Jahr ein Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen geben. "Die Schulen kooperieren dabei sehr gut miteinander", betont Kallenbach-Blasen. Bei der Vermittlung der Schüler helfen die Sozialarbeiter der Stadt. "Die jungen Leute sind kluge, interessierte Menschen. Sie wollen arbeiten und Leistung bringen, das merkt man", sagt Kallenbach-Blasen. Dem stimmen die fünf Lehrer, die die jungen Flüchtlinge unterrichten, zu.
Auch Sozialarbeiterin Regina Kolb-Dargel: "Die jungen Leute sind unheimlich engagiert und dankbar." Außerdem habe sich die Klasse gut in die Schulgemeinschaft integriert. Fast alle Schüler, die im April angefangen haben, werden im kommenden Schuljahr weitermachen. "Jeder kann die Klasse wiederholen", sagt Kallenbach-Blasen. Ebrima Nyang hat einen anderen Plan: Wenn alles klappt, wird er im kommenden Jahr die einjährige Berufsfachschule im Bereich KFZ-Technik absolvieren – und seinem Ziel wieder ein Stück näher sein.