Leutkirch / sz - Jenny Gollob ist kein Morgenmuffel. Das wäre in ihrem Job auch nicht von Vorteil. Denn die 19-Jährige steht jeden Tag ab 4.30Uhr in der Backstube und knetet fleißig Teig-Knödel für frisches Brot und knusprige Brezeln. Backen ist ihre Leidenschaft. Deshalb hat sich Jenny auch vor drei Jahren für eine Ausbildung in der Leutkircher Bäckerei Wandinger entschieden. "Mir macht die Arbeit viel Spaß", sagt die 19-Jährige.
Damit gehört sie zu einer aussterbenden Sorte. Weil immer weniger Jugendliche eine Berufsausbildung wählen, haben viele Betriebe Schwierigkeiten damit, offene Lehrstellen zu besetzten. Das bestätigt auch Jenny Gollobs Ausbilder Franz Wandinger: "Zurzeit herrscht Vollbeschäftigung in Deutschland, Azubis zu finden ist unter diesen Bedingungen sehr schwer." Das Arbeitsangebot sei zumindest in seiner Branche höher als die Nachfrage.
Beide Lehrstellen bleiben unbesetzt
"Seit fünf Jahren herrscht bei mir im Betrieb Nachwuchsmangel", sagt der 58-Jährige. Die zwei offenen Lehrstellen in der Bäckerei seien unbesetzt. "Der Markt ist leer", sagt er. Wegen Personalmangel wird er seinen Laden in Zukunft von 13 bis 15Uhr schließen müssen.
Auch Manfred Stör findet keine Azubis für seinen Elektrobetrieb Stör & Wagenseil OHG in Leutkirch. Schon seit mehr als 30 Jahren bildet er junge Menschen für das Elektrohandwerk aus. Doch in der vergangenen Zeit hätte sich ein schleichender Wandel eingestellt. "Die Geburtenrate in der Republik sinkt: Es gibt einfach nicht mehr genug junge Menschen, die man rekrutieren könnte", sagt Stör.
Mit Praktika und Inseraten in Zeitungen sowie dem Internet, versuchte der Unternehmer dem Trend entgegenzuwirken. Doch nur mit mäßigem Erfolg. Auch die Überlegung Flüchtlinge auszubilden steht im Raum. Trotz der vielen Schwierigkeiten will Manfred Stör die zwei Lehrstellen in seinem Haushaltswarengeschäft sowie den Ausbildungsplatz zum Gebäudetechniker nicht streichen. "Gerade das Elektrohandwerk ist so vielseitig und interessant – jeder sollte die Chance haben es zu erlernen", sagt der Unternehmer.
Lehre bietet guten Verdienst und viel Abwechslung
Chancen im Handwerk sieht auch Joachim Krimmer. Der Leutkircher ist nicht nur Präsident der Industrie-und Handelskammer (IHK) Ulm, sondern auch Heizungs- und Lüftungsmeister und damit selbst Ausbilder. "Man hat während der Lehre nicht nur sehr gute Verdienstmöglichkeiten und viel Abwechslung, sondern kann sich auch weiterentwickeln", zählt Krimmer die Vorteile auf.
Sein Mittel gegen das Schrumpfen von Ausbildungsanwärtern: Bildungspartnerschaften, Ausbildungsbotschafter und Praktika. Die aufgehobene Grundschulempfehlung hätte die Unternehmen auch in Zugzwang gebracht. "Viele entscheiden sich für eine weiterführende Schule. Die Firmen müssen zeigen, weshalb sich junge Leute für eine Ausbildung entscheiden sollen", sagt Krimmer.
Hochzeitstorten und Gebäck sind kein Problem
Denn obwohl es in der Region vergangenes Jahr sogar einen Anstieg an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen gab, wäre der negative Trend auch hier spürbar. Im Landkreis Ravensburg waren zuletzt 131 Stellen nicht besetzt. Unter den Top drei der am meisten gesuchten Azubis sind neben Verkäufern im Lebensmittelhandel eben auch Elektroniker und Bäcker. 223 Verträge wurden laut IHK bisher geschlossen.
Jenny Gollob muss sich um Ausbildungsverträge und Lehrstellen keine Gedanken machen. Ihre Gesellenprüfung hat sie schon hinter sich. Dafür musste sie unter anderem 30 Brezeln in fünf Minuten formen – Jenny hat es in dreieinhalb geschafft. Auch Hochzeitstorten und Gebäck sind kein Problem. "Ich habe Fotos davon auf meinem Handy gespeichert", erzählt sie stolz. Einen Festvertrag bei Wandinger hat Jenny bereits in der Tasche – ab September startet sich als Bäckerin durch.