Leutkirch / sz - Vorne in St. Martin auf der Großleinwand ist der Organist zu sehen, wie er die Manuale wechselt, Knöpfe drückt, wie seine Finger über die Tasten schwirren und wie seine Füße die tiefen Pedaltöne in Gang setzen. Die Orgelmatinee-Reihe hat am Samstag mit Peter Bader, Organist aus Augsburg wiederum einen ganz Großen der Szene zu Gast.
Weit über 100 Zuhörer lassen sich von Ton und Bildern in den Bann ziehen. Dieses Mal stehen weniger die "royalen" Klangeffekte im Mittelpunkt als vielmehr ganz "normale" Komponisten und deren Werke vor allem des Barock, wobei die virtuose Spieltechnik daraus etwas ganz Besonderes machte.
Mit Johann Pachelbels "Fantasia in C" begann das kurzweilige Orgelkonzert mit einem Spezialisten der konzertanten Orgelmusik aus Augsburg. In dieser ungebundenen Form gab es immer wieder Stellen, die eine spontane Wirkung hinterließen und somit dem Charakter nach beinahe der Improvisation zuzuschreiben sind.
Georg Friedrich Händel pflegte die Orgelkonzerte in den Pausen seiner eigenen Oratorienaufführungen zu spielen. Auch das "Orgelkonzert in B" (Opus 4, Nummer 6) hat volkstümliche, liedhafte Züge. Man könnte fast sagen, dass hier die Atmosphäre seiner Oratorien Einzug gehalten hätten. Die Freude an bewegten, ja virtuosen Figurengruppen und Läufen zieht sich durch dieses Werk. Viele Wechsel von Tutti- und Solopassagen tragen zur Kurzweil bei. Das Stück wurde ursprünglich komponiert für Harfe und Orchester, später dann für Orgel bearbeitet. Peter Bader spielte es in einer Transkription für Orgel, also mit solistischer Orgelstimme und Orchesterpart.
Johann Speth (1664-1719) gilt als ein Meister der süddeutschen Orgelmusik. Er war übrigens, wie auch der Interpret, in Augsburg tätig, von daher also eine nachvollziehbar.e Wiedergabe. Es gab hübsche, lebendig wirkende Stücke zu bestaunen.
Georg Friedrich Händels "Die Ankunft der Königin von Saba" ist äußerst populär und in verschiedenen Ausgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zu erhalten. Die Interpretation Baders strotzte vor exakten trillern, federnden Punktierungen und präzis getakteten Akkordbrechungen.
Krebs kennen viele
Der Meisterschüler von Johann Sebastian Bach, Johann Ludwig Krebs (1713-1780, stand ebenfalls auf dem Programm. Er ist jedem, der sich mit dem Orgelspiel beschäftigt hat, ein Begriff ("Die 8 kleinen Präludien und Fugen"). Das heitere Stück hat als Cantus Firmus die Choralzeile "Freu dich sehr, oh meine Seele", dieser wird kunstvoll umspielt, wodurch sich die feinen, flötigen und gesanglichen Register der Orgel eindrucksvoll entfalteten.
Ein Abstecher in die Romantik mit dem Werk von Charles Marie Widor "Andante cantabile" rundete quasi ab. Es besteht aus einer liebreizenden Melodie, die im Pianissimo flirrende Anmut versprühte. Man könnte fast von einer Melodie für die Menschheit sprechen, die Versöhntheit beinhaltet, von Zuversicht geprägt ist, in ihrer würdevollen Einfachheit das Gemüt bewegt ohne allzu süßlich-seicht zu wirken. Der schwebende Streicherklang trug dazu sein Übriges bei.
Diane Bish (geboren 1941), bekannt aus dem Fernsehen, wo sie die berühmtesten Orgeln der Welt besucht und klanglich näher bringt, hat das Werk "All creatures of our God and King" komponiert. Es ist ein englisches Osterlied, basierend auf einen Text von Franz von Assisi, bei uns bekannt unter der Melodie "Lasst uns erfreuen herzlich sehr".
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Die auskomponierte Improvisation beginnt mit der im Pedal gesetzten Melodie. Es ist schon beeindruckend, was diese Dame daraus macht und wie der Interpret die Noten umsetzte. Natürlich geht es bei diesem Werk, wie in den USA üblich, auch um Effekte. Da muss es dann brausen, toben und beinahe archaisch zugehen, um dem modernen Menschen aus der Seele zu sprechen. Der Tuttiklang mit abschließenden Fanfarenstößen brachte die Botschaft auch in Leutkirch auf den Punkt: Orgelmusik ist nicht etwas von gestern, sondern eine grandiose Verklanglichung der Welt von heute!